Schlamm, Schweiß und Tränen
Darüber hinaus mussten wir jetzt noch jeden Marsch - ob Tag- oder Nachtmarsch - ganz auf
uns allein gestellt bewältigen.
Die SAS-Leute wollten damit testen, wie weit wir in der Lage sind,
die gestellten Aufgaben eigenständig zu bewältigen. Sie wollten herausfinden, ob wir uns selbst dann noch zum Weitermachen motivieren, uns erfolgreich im Gelände orientieren und entsprechend auf uns
achtgeben könnten, wenn wir durchgefroren, nass und müde waren.
Das Eigenartige daran war, dass ich dabei regelrecht zur Hochform auflief.
Es passierte recht selten, dass man uns anbrüllte, denn fürs Erste
mussten wir ja auch nur drei grundlegende Aufgaben bewältigen -
unseren Weg durch die Berge finden, mit schwerem Gepäck marschieren und in der vorgegebenen Zeit das Ziel erreichen.
Die Ausbildung im eigentlichen Kriegshandwerk, das heißt die
Spezialausbildung, war erst für später vorgesehen, aber nur für diejenigen, die zuvor unter Beweis gestellt hatten, dass sie bereit sind, bis
zur totalen Erschöpfung alles zu geben - ganz gleich unter welchen
Bedingungen.
Mir gefiel dieses hohe Ethos von Pflichtbewusstsein.
Ziemlich schnell sank die Anzahl der Rekruten in unserer Einheit
auf unter zehn Mann, und dabei hatten wir gerade erst die Hälfte
dieser Wochenend-Drills in den Bergen hinter uns. Trucker war noch
da, doch viele von den Muskelprotzen waren schon vor geraumer Zeit
auf der Strecke geblieben.
Es war nicht zu übersehen, dass die SAS Selection uns alle körperlich extrem stark beanspruchte.
Nach jedem Drill-Wochenende brauchten meine Füße und mein
geschundener Körper mehrere Tage, um sich wieder zu erholen. Dann
bin ich jedes Mal mit wunden Füßen und schmerzenden Gelenken
durch die Gegend gehumpelt.
Mein Körper fühlte sich diesen kraftzehrenden Ausdauermärschen in den Bergen irgendwie noch nicht gewachsen. Immerhin war
ich erst 20 und damit bedeutend jünger als all die anderen Soldaten,
die an diesem SAS-Auswahlverfahren teilnahmen. Denn mit zunehmendem Alter steigt auch die Ausdauer und Belastbarkeit.
Daher war es auch nicht verwunderlich, dass nur so wenige junge
Männer die SAS Selection bestanden und dass man geradezu optimale Chancen hatte, die Prüfung zu bestehen, wenn man auf Ende 20
zuging.
Bis zum Bestehen war es aber noch ein weiter Weg und es dauerte
auch seine Zeit, bis ich mich an diese Strapazen gewöhnt hatte. Die
entscheidende Voraussetzung dafür war jedoch, dass ich die Fähigkeit
entwickeln musste, mich schnell wieder zu regenerieren.
Allerdings brauchte ich Monate, bis ich gelernt hatte, wie das
funktioniert.
In den ersten Tagen nach einer dieser endlosen Übungen, wo wir
immer wieder unseren Partner im Gamstragegriff den Berg hinauftragen mussten, taten meine Waden höllisch weh; und nachdem ich
ein paar Stunden mit dem schweren Rucksack durch die Berge marschiert war, brannten meine Schultern wie Feuer - doch langsam,
aber sicher wurde ich härter im Nehmen und gewöhnte mich an diese
Belastung.
So habe ich während der ersten Phase der SAS Selection auch noch
eine andere wichtige Lektion gelernt, nämlich genau auf meinen Körper zu hören und ihn auf eine Belastung entsprechend vorzubereiten
- das heißt, auf die richtige Ernährung, die richtigen Ruhezeiten und
das richtige Training zu achten.
Mit welcher Belastungsintensität sollte ich zwischen den einzelnen
Selection-Tests trainieren und wie oft?
Der große Fehler, den viele Rekruten bei der Vorbereitung auf die
SAS Selection machen, besteht darin, dass sie zu viel und zu intensiv
trainieren und sich dann als Folge dieses Übertrainings verletzen -
und mit einer Verletzung zur SAS Selection anzutreten, ist ein Ding
der Unmöglichkeit.
Es ist gar nicht so einfach, bei der Vorbereitung eine gesunde Balance zu finden, denn man muss dabei stets sehr genau auf seinen
Körper hören.
Doch diese Fähigkeit, auf meinen Körper zu hören, ist mir seither
in meinem Leben sehr zugute gekommen.
Es gibt etwas, was mich schon immer genervt hat, nämlich, dass ich immer dann, wenn ich den Schlaf am Nötigsten brauche, meist extrem große Probleme habe einzuschlafen.
Es ist ein schreckliches Gefühl, das sich tief in der Magengrube
bemerkbar macht: Man liegt hellwach im Bett, denkt voller Angst
daran, was noch auf einen zukommt, und obwohl man genau weiß,
dass der Körper jetzt dringend Ruhe braucht, ist man dennoch nicht
in der Lage abzuschalten.
In meinem Kopf überschlugen
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