Schlamm, Schweiß und Tränen
ebenso
wie schikanöse Disziplinarmaßnahmen, schwachsinnige KasernenReinigungsaktionen oder lautstarke Befehle. Das war jetzt unnötig.
Denn nur das Gewicht, die Distanzen und die Zeit würden letztlich
darüber entscheiden, ob wir diesen Eignungstest bestehen oder ob wir
durchfallen.
Am Ende dieser Prüfungswoche würde der SAS über ein kleines
Grüppchen hoch motivierter, fähiger und durchtrainierter Soldaten
verfügen - quasi das Rohmaterial, das er anschließend nach seinen
Vorstellungen formen kann.
Der SAS würde diese Wenigen einer außergewöhnlichen Spezialausbildung unterziehen und zu Elitesoldaten machen. Unkonventionell. Hoch spezialisiert und hoch qualifiziert.
Ich ging zur Kantine und haute mir beim Frühstück den Ranzen
voll bis zum Anschlag. Denn heute konnte ich jedes noch so kleine
Bisschen an Energie gut gebrauchen. Es wurde von uns erwartet, dass
wir unser Gepäck selbstständig wogen und auf die Minute pünktlich
in Marschordnung antraten. Niemand wurde hier wie ein Kind bemuttert. Hier ging es einzig und allein um Selbstdisziplin.
Als wir um 04:55 Uhr antraten, warf ich einen flüchtigen Blick
auf die Rekruten in meiner Reihe. Fast alle waren recht unterschiedlich angezogen. Abgesehen von der Grundausstattung, die war bei
jedem gleich, war es jedem selbst überlassen, welche Stiefel und Mützen er trug.
Der SAS sucht eigenwillige Persönlichkeiten und er versucht deshalb auch nie, diese Individualität zu unterbinden.
Schließlich hatte jeder Rekrut hart dafür gearbeitet, dass er an dieser Prüfung teilnehmen konnte, und deshalb hatte er sich auch das
Recht verdient, seine Stiefel selbst auszusuchen. Jeder von uns wusste
nicht nur, welche Ausstattung er gern mochte, sondern jeder von uns
hatte auch seine speziellen Vorlieben entwickelt, womit er am besten
zurechtkam. Bei mir war das ganz genauso.
Wir standen alle schweigend in „Rührt Euch"-Stellung; unsere
großen grünen Rucksäcke hatten wir auf dem Boden abgestellt und
ans Bein gelehnt - das sah dann ungefähr so aus, als wären wir Strafgefangene, denen man Fußfesseln mit einer schweren Eisenkugel angelegt hatte.
Die Ausbilder überprüften und wogen ihrerseits noch einmal unser Gepäck, bevor sie uns zur Waffenkammer schickten, damit wir
unsere „Waffen" in Empfang nehmen konnten.
Dabei handelte es sich um alte SLR-Standard-Sturmgewehre.
Doch diese Waffen hatten einen Haken: Sie hatten kein Repetiersystem und auch sonst kein funktionierendes Innenleben; die Öffnung
war mit Stahl zugeschweißt.
Wie umsichtig, dachte ich.
Anschließend wurden wir in die Viertonner-LKWs verfrachtet,
die mit uns auf der Ladefläche das Kasernengelände verlassen haben
und in Richtung Berge gerumpelt sind.
Draußen war es noch dunkel.
Ich hatte keine Ahnung, wohin die Fahrt ging; ich war einfach
nur nervös und angespannt, was mich wohl erwarten würde.
Irgendwann verließ der Lastwagen dann holpernd die Straße und
kam durch die aus den Bremsen austretende Druckluft mit einem
lauten zischenden Geräusch zum Stehen. Ich warf einen Blick hinaus.
Mittlerweile hatte ich genügend Erfahrung gesammelt, um zu
wissen, dass wir in dieser fürchterlichen Riedgras-Landschaft im
Hochmoor gelandet waren.
Das hätte ich mir ja denken können.
Meine nervöse Anspannung und die ganzen Dieselabgase, die ich
während dieser eineinhalbstündigen Fahrt eingeatmet hatte, rächten
sich nun bitter, denn ich fühlte mich hundeelend.
Ich kletterte aus dem Lastwagen und plötzlich musste ich mich in
hohem Bogen übergeben. Doch das Einzige, was mir in diesem Augenblick durch den Kopf schoss, war, dass die ganze wertvolle Energie, die
ich für diesen Tag so dringend gebraucht hätte, nun dahin war.
Während ich darauf wartete, dass man mich aufrief und mir meine erste Planquadratangabe aushändigte, war mein Selbstvertrauen
auf dem absoluten Tiefpunkt.
All die alten Selbstzweifel schossen mir wieder durch den Kopf.
Mit einem Mal fühlte ich mich nur noch völlig überfordert.
Denn ich war weder ein Marineinfanterist noch irgendein anderer
total abgehärteter Soldat, den so leicht nichts umhauen konnte. Eigentlich war ich noch verdammt feucht hinter den Ohren, und zwar
in jeder Hinsicht - und ich wusste das auch.
Also atmete ich tief durch, als ich in der Reihe in Grundstellung
antrat. Ganz ruhig.
Ich musste einfach nur losmarschieren und dann durchhalten.
Kurz daraufwar ich unterwegs und marschierte
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