Schlamm, Schweiß und Tränen
konzentriert und bin weitermarschiert.
Als die ersten Sonnenstrahlen durch die Morgendämmerung brachen, bin ich bergauf geklettert - quasi ein letzter symbolischer Aufstieg - zu jenem Gebirgskamm im Osten, wo sich dieser eine hohe
Gipfel befand, den wir alle sehr genau kennengelernt hatten.
Auf diesem Berg hatte ich schon oft sehr viel Kraft und Ausdauer
bewiesen, doch dieses Mal schaffte ich es gerade mit Mühe und Not,
diesen steilen Berghang zu erklimmen - ich hielt den Kopf gesenkt,
meine Beine schmerzten unter dem Gewicht des Rucksacks und mein
Atem ging schwer.
Ich hatte das Gefühl, als würde ich mich ein letztes Mal der Herausforderung stellen, diesen unbarmherzigen Berg bezwingen zu wollen, der uns Menschen beständig an unsere Grenzen bringt.
Dann ging es bergab und als ich danach wieder hinauf zum nächsten Hochtal aufstieg, stellte ich fest, dass ich gerade im Begriff war,
mitten in einen atemberaubenden winterlichen Sonnenaufgang zu
klettern, denn die Sonne schob sich in der Ferne ganz allmählich über
den Horizont.
Wir müssten heute also den gesamten Tag durchmarschieren und
würden folglich erst nach Mitternacht unser Marschziel erreichen -
natürlich vorausgesetzt, dass wir diesen Horrormarsch überhaupt bis
zum Ende durchhielten.
Ich schleppte mich mühsam irgendwie voran, immer weiter und
weiter und weiter.
Halte das Tempo; versuche, normal zu atmen; kämpfe Dich mit aller
Kraft voran.
Die Stunden vergingen wie in einem Nebel und in meinem Kopf
und meinem Körper tobte ein regelrechter Zermürbungskrieg - ich
versuchte die ganze Zeit über zu ignorieren, dass meine wund gelaufenen Füße in den nassen, rissigen Stiefeln immer weiter anschwollen.
Ich stieg noch einen weiteren steilen, schneebedeckten Berghang
hinunter zu einem Reservoir - jetzt lag die Hälfte der Strecke hinter
uns. Erschöpft ließ ich meinen Rucksack fallen und stöberte nach etwas Essbarem. Ich brauchte unbedingt Energie.
Die anderen Rekruten, die mir begegneten, kamen allesamt aus
dem Checkpoint herausgeschlurft und schlangen wie verrückt etwas
zu essen in sich hinein. Es waren finster dreinblickende, durchnässte
und gebeugt laufende Gestalten, die mit vollen Backen auf den Hafer(Panzer-)Keksen oder der (Steinbeißer-)Schokolade aus ihrer Einmannpackung herumkauten und sich strammen Schrittes quer durch
die Moorlandschaft kämpften, von wo aus es wieder hinauf in die
Berge ging.
Ich hing nun seit über fünf Minuten am Checkpoint fest, weil ich
warten musste, bis ich an der Reihe war. Ich wusste, dass ich jetzt
ganz schnell wieder in Bewegung kommen musste, sonst würde ich
schreckliche Beinkrämpfe bekommen. Nach jeder Pause, die länger
als ein paar Minuten dauerte, war es immer äußerst schmerzhaft, bis
man wieder richtig in Gang kam.
Ich machte mich startklar und marschierte dann wieder denselben
Berghang hinauf, den ich gerade heruntergekommen war. Es dauerte
nicht lange, bis ich mich wieder einmal durch sumpfiges Gelände
kämpfen musste, das mit unzähligen stacheligen Riedgrasbüscheln
übersät war, und dadurch mein Tempo nicht halten konnte. Ich gab
mein Bestes, um diese Graslandschaft so schnell wie nur irgend möglich hinter mir zu lassen.
Gute 16 Kilometer später hatte ich Trucker eingeholt und wir
marschierten gemeinsam - zwei einsame Gestalten, die im Kampf gegen die sich allmählich breitmachende Erschöpfung dennoch versuchten, das Tempo weiter aufrechtzuerhalten.
Am nächsten Checkpoint zog ich meine Stiefel aus, denn die waren in dem sumpfigen Gelände bis zum Rand mit Schlamm und Wasser vollgelaufen. Ich zog mir ein Paar frische Socken an und leerte
meine Stiefel aus. Schon möglich, dass trockene Socken in nassen
Stiefeln rein gefühlsmäßig keinen großen Unterschied machen, mental aber sehr wohl. Mittlerweile lagen nur noch ungefähr 29 Kilometer vor uns - aber ich hatte ein Paar frische Socken an.
Aus psychologischer Sicht, war es ein neuer Anfang.
Mach weiter, Bear; steh auf und nimm die Beine in die Hand. Bring
diese Sache zu Ende.
Das sogenannte „VW Valley" ist ein Hochtal, das auf
einem der letzten - und schwierigsten - Berge liegt, die man im Rahmen der Selection-Prüfung erklimmt.
„VW" steht für „Voluntary Withdrawal" - freiwilliges Ausscheiden - und wenn man diesen Berg sieht, dann versteht man auch, warum viele Kandidaten hier das Handtuch geworfen haben.
Ein sehr stürmischer Wind fegt über die steilen Berghänge
Weitere Kostenlose Bücher