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Schlangenblut (German Edition)

Schlangenblut (German Edition)

Titel: Schlangenblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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Wenn sie es nur mit aller Kraft versuchte, würde sie bestimmt alles einfach vergessen und in einem neuen Leben erwachen, als neuer Mensch in einer neuen Welt.
    Ihr Kopf schlug gegen das Beifahrerfenster, während sie die Augen beinahe geschlossen hielt und nur einen kleinen Ausschnitt der Landschaft wie einen alten Stummfilm an sich vorbeirauschen sah.
    »Ich nehme an, du bist noch nicht bereit zu reden. Das geht schon in Ordnung, ich verstehe das. Bis dahin erzähle ich dir eben meine Geschichte. Es gibt ein paar Dinge, die du wissen musst.«
    Er legte ihr eine Hand auf den Oberschenkel, und sie zuckte nicht zurück. An seiner Berührung war nichts Beängstigendes, aber auch nichts Beruhigendes. Es war, als wäre ihr ganzer Körper taub und unfähig, Schmerzliches von Tröstlichem zu unterscheiden.
    »Er heißt Bobby, Bobby Fegley«, erklärte der Mann.
    Er räusperte sich. Ihr Puls ging schneller. Sie kannte mal jemanden, der so hieß – oder doch nicht? War das alles nur ein Traum gewesen? Ein Geliebter, ein Freund – bis er sie verraten hatte. Oder hatte sie ihn verraten?
    »Er tut so, als wäre er ein Jugendlicher, der Online-Spiele spielt, und lernt auf diesem Weg Mädchen kennen.« Sie hörte ein seltsames Geräusch, als unterdrückte der Mann Tränen oder ein Lachen. »Eine der Leichen da drin war mein Mädchen. Ich habe ein Jahr lang nach ihr und nach ihm gesucht. Und als ich dann von dir gehört und dein Bild gesehen habe, war mir klar, dass er dich entführt hatte. Du siehst genau wie meine Vera aus.«
    Während der langen Pause, die nun folgte, gelangte sie zu dem Schluss, dass er nicht von ihr sprach, sondern von einem anderen Mädchen. Doch wovon er auch sprach, es hatte nichts mit ihr zu tun, sie war gar nicht da.
    War nie da gewesen.
    »Ich wünschte, ich könnte dich zu deiner Familie zurückbringen, aber da gibt es ein Problem. Bobby Fegley ist FBI -Agent, deshalb können wir nicht zur Polizei, weil uns niemand glauben würde.«
    Seine Worte prallten weitgehend von ihrem Bewusstsein ab, nur ein kleiner Teil drang zu ihr durch. Trotzdem runzelte sie die Stirn. Mit dem, was er ihr da erzählte, stimmte doch was nicht …
    Ihr war nicht wohl, aber sie schlug die Arme um sich und wiegte sich auf ihrem Sitz vor und zurück, während sie die Landschaft durch ihre zu Schlitzen verengten Augen nur verschwommen wahrnahm. Dann ließ der Schmerz nach, und sie kehrte in den Schwebezustand der Benommenheit zurück.
    »Jetzt sind nur noch wir beide da, Ashley«, fuhr er fort, ohne zu registrieren, dass sie kaum bei Bewusstsein war und nur durchhielt, weil sie ihren Körper dazu brauchte, Blut in ihr Gehirn zu pumpen. »Außer … du willst doch nicht zurück zu deinen Eltern, zu deinem alten Leben?«
    Seine Worte hämmerten auf sie ein und durchbrachen die Mauer aus Eis, die sie um sich errichtet hatte. Mit einem Ruck richtete sie sich auf, die Augen vollständig geöffnet, aber unfähig, sie scharfzustellen; an den Rändern war alles dunkel, nur die Straße vor ihnen sah sie klar und deutlich.
    »Nein.« Diese eine Silbe war alles, was sie herausbrachte, als panische Angst ihre Stimmbänder erfasste und zusammenquetschte. Sie zitterte, ohne dass ihr kalt gewesen wäre, fühlte nichts und wollte auch gar nichts fühlen.
    »Also gut. Dann bleiben wir eben unter uns, nur wir beide. Ich verspreche dir, dafür zu sorgen, dass dir nichts zustößt, Ashley. Vixen, wollte ich sagen.« Der Wagen wurde langsamer, als er sich zu ihr umdrehte. »Ich heiße Jim. Jim Fletcher.«
    Sie erwiderte seinen Blick nicht, sondern schloss erneut die Augen und wiegte sich vor und zurück, bis sie in den willkommenen Zustand des Vergessens abgedriftet war.

KAPITEL 31
Sonntag, 15.12 Uhr
     
    »Sind Sie ganz sicher, dass es Fletcher ist?«, fragte Grimwald, der zuständige Special Agent von der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE . »Ich meine, sehen Sie sich doch mal sein Vorleben an. Der Mann ist die personifizierte Sauberkeit.«
    »Es ist Fletcher«, erwiderte Lucy und ging weiter vor dem Konferenztisch auf und ab. Solange sie in Bewegung blieb, hielten sich ihre Schmerzen in erträglichen Grenzen. »Was wissen wir über ihn?«
    Taylor antwortete. »Er ist vierunddreißig, seit acht Jahren bei der Einwanderung. Erst Gehaltsklasse GS -05, jetzt GS -06. Hier aufgewachsen, Abschluss am Allegheny Institute of Technology mit einem Associate Degree in Computerwissenschaften. Hat nie anderswo gearbeitet, gute Beurteilungen, aber in

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