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Schlangenblut (German Edition)

Schlangenblut (German Edition)

Titel: Schlangenblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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sogar das Töten.«

KAPITEL 32
Sonntag, 16.22 Uhr
     
    »Mrs Fletcher, ich würde gern mit Ihnen über Ihren Sohn sprechen.«
    »Jimmy? Ist er bei Ihnen? Er ist ja so ein lieber Junge, kümmert sich rührend um seine kranke, alte Mutter.«
    Lucy zog einen der Plastikstühle näher an den von Alicia, bis sie einander Knie an Knie gegenübersaßen, auch wenn die alte Frau sie nicht sehen konnte. »Mrs Fletcher, ich bin vom FBI , Supervisory Special Agent Guardino. Wann hat Ihr Sohn Sie das letzte Mal besucht?«
    Alicia schürzte die Lippen, dabei spannten sich Falten über ihr gesamtes Gesicht, bis sie aussah wie die Karikatur einer alten Frau, die verzweifelt im Chaos ihrer Erinnerungen kramte. »Jimmy, ist er mit Ihnen zusammen?«
    »Nein, Alicia.«
    »Dann sind Sie die Lucy, mit der er zusammenarbeitet, nicht wahr? Er hat mir viel von Ihnen erzählt.« Alicia lächelte, und ihr Gebiss verrutschte, bevor sie es klickend wieder an Ort und Stelle brachte. »Er hat erzählt, Sie hätten zugelassen, dass Ihre Tochter krank geworden ist, weil Sie zu beschäftigt waren, um sich um sie zu kümmern. Ich würde nie zulassen, dass meinem Kind so etwas zustößt. Mein Jimmy war mein Ein und Alles. Eine Mutter sollte bereit sein, alles für ihr Kind zu geben.« Und in heiserem Flüsterton fügte sie hinzu: »Wenn es sein muss, auch ihr Leben.«
    Lucy biss die Zähne aufeinander. Trotz ihrer Blindheit, ihres Alters und ihrer Gebrechlichkeit war Alicia Fletcher noch immer scharfsinnig und durchtrieben. Sie versuchte, Lucy auf dieselbe Weise zu manipulieren, wie Lucy sie manipulieren wollte.
    Und da Alicia es geschafft hatte, Lucy wütend zu machen, indem sie ihr ein schlechtes Gewissen einzureden versuchte, hatte sie vorerst die Oberhand gewonnen. Lucy war froh, dass die andere Frau sie nicht sehen konnte. »Erzählen Sie mir von Jimmy. Wann haben Sie zum letzten Mal mit ihm gesprochen?«
    »Jimmy? Oh, der ist viel zu beschäftigt, um Zeit für seine alte Mutter zu haben. Er hilft doch jetzt bei diesem großen Fall mit. Wissen Sie denn nicht, wo er ist?«
    Lass die Scheiße , hätte Lucy ihr am liebsten ins Gesicht geschrien, doch sie hielt sich zurück. »Nein. Aber ich muss ihn finden.« Sie schluckte, denn die nächsten Worte fielen ihr schwer. »Ich brauche seine Hilfe, Alicia. Das Leben eines jungen Mädchens könnte davon abhängen.«
    »Eines von Jimmys Mädchen? Er hatte ein paar Freundinnen, seit ich ihn verlassen und hierherkommen musste. Armer Junge, er ist so einsam, seit seine Mutter sich nicht mehr um ihn kümmern kann.«
    »Haben Sie schon einmal eines von Jimmys Mädchen kennengelernt? Wissen Sie noch, wie sie hießen?«
    Alicia beugte sich vor. Ihre weiche, teigige Hand, die mit schuppiger, pergamentartiger Haut überzogen war, drückte Lucys Knie. »Schon möglich. Aber keine von denen war gut genug, nicht für meinen Jimmy. Er braucht ein ganz besonderes Mädel, so wie ich eines war. Ist dieses Mädchen, von dem Sie reden, etwas Besonderes?«
    Aus Alicias schlitzförmigem Mund drang plötzlich Gelächter, das die Haare auf Lucys Armen zu Berge stehen ließ.
    Falls sie nach einem Monster suchte, so hatte sie den Menschen gefunden, der dieses Monster erschaffen hatte.
    Lucy legte ihre Hand auf die von Alicia und quetschte die Knochen der Alten. Alicia fuhr ruckartig zurück, schrie aber nicht auf. Stattdessen wurde ihr Lächeln immer breiter, bis sie vor Freude strahlte – ganz so, als habe Lucy ihre Erwartungen erfüllt. Alicia hatte gewonnen.
    »Ich werde Ihnen niemals helfen, meinen Sohn zu finden«, erklärte sie und richtete ihre toten Augen auf Lucy, als könnte sie sehen.
    »Dann sprechen wir eben über Jimmys Vater«, schlug Lucy vor. Sie ließ Alicias Hand los, in deren teigigem Fleisch weiße Abdrücke zurückblieben wie ein Handabdruck in Gips. »Es muss schwer gewesen sein, einen solchen Mann zu lieben.«
    »Mein Mann hat mich geliebt, ja geradezu verehrt. Was immer er tat, war zu meinem Besten«, erklärte Alicia mit energisch vorgerecktem Kinn.
    »Verehrt? Er hat Sie bei jeder Gelegenheit betrogen und mit jedem hübschen Mädchen geschlafen, das ihm über den Weg lief, bis zu dem Tag, an dem er gestorben ist.«
    »Er hatte ein Auge für Schönheit und gab seiner Neigung nach. Aber er kam immer wieder zu mir zurück.«
    »Beim letzten Mal nicht mehr. Er wollte nicht wiederkommen, stimmt’s? Er wollte Sie für immer verlassen.«
    Das war reine Spekulation, aber Lucy sah, dass sie ins Schwarze

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