Schlangenblut (German Edition)
ein Handtuch, damit ihr nicht kalt wurde. Sie mochte die sanfte Art, mit der er durch seine bloße Berührung ihre Schmerzen linderte; als er sie wusch, glitten seine Hände über ihre Haut wie bei einem Neugeborenen. Es war ein gutes Gefühl, jemanden zu haben, dem sie so absolut vertrauen konnte, dass sie keinerlei Hemmungen hatte, sich ihm ganz auszuliefern.
»Was wird jetzt aus ihr?«
Er schwieg erst einmal und hielt einen tropfenden Waschlappen über das Becken. »Kommt drauf an. Im Augenblick kommt niemand an sie heran. Was ihre Eltern angefangen haben, hat Fletcher vollendet – sie haben sie ihrer Identität beraubt.«
»Vielleicht sollte ich Taylor anrufen und ihm sagen, dass wir uns besser erst mal von ihr fernhalten –« Lucy war selbst überrascht darüber, wie bereitwillig sie sich auf jede Ausrede stürzte, um Ashley nicht gegenübertreten zu müssen. Es kam ihr fast vor, als könnte sie nicht zugeben, dass sie das Mädchen im Stich gelassen, es letztendlich doch nicht gerettet hatte.
»Nein. Ich hatte ein langes Gespräch mit ihren Ärzten und ihrem Vater. Alle waren sich einig, dass es nicht schaden kann und vielleicht sogar hilft.«
»Und was haben die Ärzte über Megans Untersuchungen gesagt?« So, wie Megans Farbe und ihre Energie zurückgekehrt waren, konnte alles eigentlich nur noch reine Formsache sein. Die Ärzte lagen ganz offensichtlich richtig mit ihrem Verdacht auf Katzenkratzkrankheit.
Nick aber runzelte die Stirn. »Sie meinten, sie müssten die Ergebnisse noch einmal durchgehen, und dann gibt uns der zuständige Facharzt Bescheid.«
Das klang gar nicht gut. »Dann warte ich besser hier. Sollen sich Taylor und Walden um Ashley kümmern.«
»Ich hole dich, wenn die Ärzte kommen. Du bist ja nur zwei Türen weiter. Geh schon, kümmer dich um Ashley.«
Sein Tonfall hatte etwas Gebieterisches an sich, und sie riss das Kinn hoch. »Du hast mir doch vorgeworfen, ich würde Megan vernachlässigen und mir einbilden, dadurch, dass ich Ashley rette, auch für Megans Sicherheit sorgen zu können.«
»Du hast Ashley gerettet, und für Megan warst du ebenfalls da. Aber jetzt musst du das für dich selber tun, um es zu Ende zu bringen. Außerdem«, sagte er mit der Andeutung eines Lächelns, »habe ich das Gefühl, dass du mit deinem Instinkt richtiggelegen hast. Es war wirklich eine gute Idee, Bobby Fegley herkommen zu lassen, damit er Ashley persönlich kennenlernen kann.«
»Hör mir bloß mit meinen Instinkten auf. Ich mochte auch Fletcher irgendwie – na ja, vielleicht mehr so, wie man einen jungen Hund mag.«
»Apropos junger Hund –« Er führte Lucys angeschlagenen Arm durch eine Schlinge.
Sie starrte ihn entsetzt an. »Sag bloß, du hast –«
»Megan fand, dass Boots Gesellschaft bräuchte.«
»Nick. Nein. Überleg doch mal, wie wenig Zeit wir –« Sie hielt inne, als ihr wieder einfiel, dass sie von Glück reden konnte, wenn sie überhaupt noch Strafzettel ausstellen durfte, sobald die Bürokraten sie erst einmal durch die Mangel gedreht hatten.
»John Greally war übrigens hier«, sagte er, nachdem er wie immer ihre Gedanken gelesen hatte. »Hat gesagt, ich sollte dich nicht wecken.«
Sie schnitt eine Grimasse. »Der war bestimmt nicht besonders glücklich.«
»Doch, er war glücklich – darüber, dass du noch lebst. Über das bürokratische Chaos weniger. Ich glaube, er hat was von einer öffentlichen Belobigung und einer offiziellen Rüge erzählt. Klingt für mich wie ein Widerspruch in sich. Und wie eine Warnung – dahingehend, dass du eine Zeitlang besser auf Alleingänge verzichten solltest.«
Die Gehirnerschütterung hatte sie anscheinend mehr mitgenommen als vermutet. »Willst du damit sagen, dass ich nicht entlassen bin?«
»Genau. Aber dafür musst du jetzt das liebe Kind spielen und dich für irgendeine Feier, die der Bürgermeister veranstalten will, in Schale werfen. Ich glaube, er will dir und Burroughs die Stadtschlüssel überreichen oder irgendwelche glänzenden Stückchen Blech oder so was.«
Lucy lachte auf, ließ es aber gleich wieder, als ihr der Schmerz durch Rücken, Brust und Schulter fuhr. »Überlass das ruhig Greally. Gnade uns Gott, falls er je auf die Idee kommt, in die Politik zu gehen.«
Es klopfte an der Tür, und Nick öffnete. Megan stand da mit ihrem Tropfständer, an dem ein transparenter Plastikbeutel mit ihrem Antibiotikum hing. »Mom, hier sind ein paar Leute, die dich gern sehen möchten.«
Lucy schaute in den
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