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Schlangenblut (German Edition)

Schlangenblut (German Edition)

Titel: Schlangenblut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. J. Lyons
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taxierenden Blick. Errötend blickte er auf. »Ich meine, ja, ich bin bereit.«
    Es war Zeit. Lucy ging über den Parkplatz zu der Stelle, wo der verbeulte Lieferwagen mit getönten Scheiben stand. Der von der Hitze weiche Asphalt grapschte nach den Absätzen ihrer Stiefel, gab ihr eine letzte Chance, es sich anders zu überlegen.
    Aber sie überlegte es sich nicht anders. Sie blickte in den Wagen und betrachtete die reglose Gestalt im Kindersitz. Sie ging um den Wagen herum und überprüfte ihn von allen Seiten. Ein schlafendes Mädchen in Sonntagskleidung hing im Sitz, das Gesicht hinter Unmengen wirrer goldener Locken verborgen.
    Lucy stieg in den Wagen und schaltete die Klimaanlage ein. Es war noch heißer als am Vortag, dem Thermometer an der Bank zufolge bereits 28 Grad. Nachsommer in Pittsburgh. »Okay, Katie Mae, außer uns beiden ist niemand da.«
    Die Männer hatten in letzter Minute einen neuen Treffpunkt festgelegt. Das hatte ihr nicht gefallen, aber so etwas kam vor. War ja auch kein Wunder, wenn man bedachte, zu welchem Zweck sie sich trafen. Jetzt war es eine alte Wasserpumpstation neben der Route 60. Ihr Team hatte bereits seine Hausaufgaben gemacht und herausgefunden, dass das Gebäude nach einem Jahrzehnt des Leerstands von Walter, ihrem Hauptverdächtigen, gekauft worden war.
    Als Lucy dort ankam, hatte die Klimaanlage gerade erst angefangen, für etwas Abkühlung zu sorgen, entsprechend war sie ganz klebrig von halbgetrocknetem Schweiß. Auf dem Kiesparkplatz warteten zwei weitere Wagen – eine ramponierte Pontiac-Limousine und ein Ford 350 Pick-up. Das weiß getünchte Betongebäude stand auf einem baumreichen Grundstück. An der Ostseite verlief ein Bach, zu dem sich durch die Seitenwand rostige Rohre hinabzogen.
    Ganz oben auf dem Dach thronte ein grob geschmiedetes Stahlkreuz. Sollte es zur Andacht rufen oder als Blitzableiter dienen? Dann bemerkte Lucy das handgeschnitzte Holzschild über der Eingangstür. Es hing ein wenig schief, und sie wollte es schon geraderücken, als sie las: Kirche des Heiligen Erlösers.
    Eine Kirche?
    Sie schob den Unterkiefer so heftig hin und her, dass die Bänder von der Anspannung knackten. Eine Kirche also.
    Diese Typen steckten voller Überraschungen. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass dies die letzte war.
    Sie ließ den Motor laufen und verschloss die Tür hinter sich. Der einzige Luxus, über den der Wagen verfügte, war die Fernbedienung für die Zentralverriegelung. Was in ihrem Job aber weniger ein Luxus als unabdingbar war. Sie berührte das Fenster und zog mit den Fingern Katies schlafende Gestalt nach. Wieder kam die Angst hoch und wand sich in ihren Eingeweiden wie eine Forelle im Käscher. Ein weiterer tiefer Atemzug zügelte sie.
    Sie ging nicht davon aus, dass es Schwierigkeiten geben würde. Sie hatte schon viele solcher Treffen erlebt – so viele, dass sie den Überblick verloren hatte – und dabei nie Probleme gehabt.
    Was nicht hieß, dass sie nicht vorbereitet war. In ihrer Jeansjacke steckte eine kurzläufige 32er Smith and Wesson – die Art Revolver, die eine alleinstehende, berufstätige Mutter trug.
    Sie zupfte ihre Jacke zurecht, bewegte die Schultern, bis sie ihre Waffe am Brustkorb spürte, und ging auf das Gebäude zu. Auf dem Eckstein prangte die Jahreszahl 1923, und die gerundeten Fenster waren jeweils durch einen Längspfeiler unterteilt. Damals wurde offenbar sogar eine banale Pumpstation vergleichsweise kunstvoll ausgestaltet.
    Die Tür, eine bogenförmige Holzplatte, wurde schon geöffnet, als sie noch drei Meter von ihr entfernt war. Heraus kam ein bärtiger, hagerer Mann mit Drahtgestellbrille, schwarzer Hose und gestärktem weißen Hemd, das bis oben zugeknöpft war. »Schwester Ruby?«
    »Ja.« Zögernd blieb sie vor dem Eingang stehen. Er stand genau unter dem schief hängenden Schild. »Sind Sie Walter?«
    »Ja.«
    »Ich bin ein wenig verunsichert – ich meine, eine Kirche?«
    »Möchten Sie unsere Ausstattung sehen?«, bot er mit einladender Geste an. Trotz seiner förmlichen Art zu sprechen war sein Akzent ganz und gar ländlich, und das Auf und Ab in seinem Tonfall erinnerte an die hügelige Landschaft der Umgebung. Offenbar fiel es ihm nicht leicht, eine Rolle zu spielen.
    Lucys Kiefer verkrampfte sich so sehr, dass ihr eine Welle des Schmerzes durch Nacken und Rückgrat lief. Am Telefon hatten Walter und Henry sehr deutlich gemacht, was sie wollten, aber nun benahm sich Walter, als wäre sie zu einem

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