Schlangenblut (German Edition)
Händen, ignorierte einfach den nassen Waschlappen zwischen ihren Handflächen und legte den Kopf zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. »Ich verspreche dir, dass du dir nie um mich Sorgen machen musst. Ich tue alles, um immer gesund und munter zu dir und Megan nach Hause zu kommen.«
Eine kleine Furche des Zweifels grub sich in seine Stirn und ließ seine jungenhaften Züge plötzlich älter und weiser erscheinen, als seine neununddreißig Jahre hätten vermuten lassen. Sie küsste ihn auf die Stirn und folgte mit den Lippen der Spur von Sommersprossen über seinen Nasenrücken bis hinab zu seinem Mund. Der Waschlappen fiel platschend ins Waschbecken, als er die Arme um sie schlang.
Genau deswegen tat sie, was sie tat, und genau deswegen waren Männer wie Burroughs im Vergleich zu Nick für sie nicht mehr als ferne Schatten. Ihre Körper schmiegten sich aneinander in einer wortlosen Kommunikation von Verlangen und Gemeinsamkeit, in einem Konzert zweier pochender Herzen, das die Angst von ihr nahm.
Ihr Kiefer entspannte sich, ihr Schädel hörte auf zu dröhnen, und sie streckte den gekrümmten Rücken durch. Nick war ihr Fels in der Brandung. Gemeinsam mit ihm konnte sie allen Gefahren ins Auge sehen.
Vierzehn Jahre hatten daran nichts geändert. Ihr erster Kuss hatte dieselbe Leidenschaft entflammt, eine Leidenschaft, die über die Jahre eher noch gewachsen war.
Als sie sich wenige Augenblicke später wieder losließen, hatte sie das Gefühl, sich und ihr Leben besser im Griff zu haben als während der ganzen Zeit, seit sie seine Nachricht erhalten hatte. Sie hielt sich an ihm fest und genoss seine Stärke, während sie sich alles durch den Kopf gehen ließ. »Weiß Megan davon?«
Nick stieß einen Laut aus, der irgendwo zwischen Lachen und Schluchzen lag. »Sie hat die Ärzte selbst danach gefragt«, antwortete er, das Kinn auf ihrem Kopf, die Finger in ihre Schultern gekrallt. »Sie haben ihr Blut abgenommen, sind dann aber wiedergekommen und haben von weiteren Untersuchungen gesprochen – ich habe gar nicht reagiert und konnte nur daran denken, dass sie sie schon wieder stechen wollten, und das hat mich wütend gemacht. Megan aber hat nur aufgeblickt und gesagt: ›Wenn ich Krebs habe, darf ich dann meinen Schädel kahlrasieren, bevor mir die Haare ausfallen?‹ Einfach so.«
»Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie uns beiden überlegen ist«, räumte Lucy ein und wischte ihre Tränen an seinem Hemd ab. Es war sein Lieblingshemd aus weißem Baumwollstoff, butterweich nach zahllosen Waschgängen. Und nun war es von Tränen und billiger Schminke verschmiert.
»Aber jetzt zur guten Nachricht: Die Ärzte meinten, außer Krebs könnte es auch alles Mögliche andere sein, und die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich Krebs ist, sei eher gering. Sie wollen aber lieber auf Nummer sicher gehen.«
»Und wie hat Megan darauf reagiert?«
»Gut. Nachdem der Arzt erklärt hatte, dass sie bei der Computertomographie nicht mehr mit Nadeln gepikst wird, hat sie sich nur noch um ihren Fußball Sorgen gemacht.«
Typisch eingleisiges Denken. Manchmal fürchtete Lucy schon, dass ihre Tochter ein bisschen zu sehr nach ihr geriet. Als sie von der Platte neben dem Waschbecken herabglitt, war ihr Hosenboden nass vom verspritzten Wasser. Nach ein paar weiteren Atemzügen fand sie ihre Stimme wieder. »Megan wird ihren Schlafanzug und ihre Kleider haben wollen, vielleicht auch ihren iPod –«
»Deine Mutter ist gerade bei uns zu Hause und packt Taschen für uns alle.« Er folgte ihr zurück ins Zimmer.
O Gott. Ihre Mutter durchwühlte alle ihre Sachen? Nicht dass sie etwas vor ihrer Mutter zu verbergen gehabt hätte, aber trotzdem stiegen in ihr uralte kindliche Schuldgefühle hoch, als sie sich zu erinnern versuchte, ob sie auch ihre schmutzigen Kleider vom Vortag vom Fußboden aufgehoben hatte. Fast musste sie lachen angesichts dieser spontanen Gedanken, die nun wirklich ihre geringste Sorge waren. Sie ließ sich auf die Bettkante sinken. »Also bleibt uns nichts anderes übrig, als abzuwarten.«
Das entlockte Nick, der ihren Mangel an Geduld nur zu gut kannte, ein Lächeln. Er setzte sich neben sie, legte ihr einen Arm um die Schultern und schnüffelte an der noch immer nassen Haut hinter ihrem Ohr. »Wieso denn? Wir könnten doch auch ein bisschen knutschen.«
Er meinte das nicht ernst, aber schon die Tatsache, dass er sich an einem Scherz versuchen konnte, mehrte in ihr die Zuversicht, dass Megan
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