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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Hauptverdächtige.
    Ich stieg wieder in den Wagen und fuhr los. Obwohl ich wirklich nirgendwohin konnte, musste ich doch in Bewegung bleiben. Ich hielt mich an die Nebenstraßen und nahm Abkürzungen über Feldwege, wann immer ich konnte. So fuhr ich eine Stunde lang umher und versuchte, mir darüber klar zu werden, was ich als Nächstes tun sollte. Doch es gelang mir nicht, meine Gedanken von der schrecklichen Geschichte wegzulotsen, die Ruby mir gerade erzählt hatte.
    Ob Reverend Fain nun aus den Vereinigten Staaten geflohen oder lediglich von religiösem Eifer dazu getrieben worden war, seine Botschaft in einen neuen Teil der Welt zu tragen, würden
wir wahrscheinlich niemals wissen. Doch seine Ankunft hatte verheerende Auswirkungen auf die Menschen gehabt, die ihn willkommen geheißen hatten. Selbst nach fünfzig Jahren konnte die Geschichte mich noch wütend machen. Ich hatte zu meiner Zeit charismatische Geistliche gekannt; mein eigener Vater war einer. In vielerlei Hinsicht hängt der Erfolg eines Pfarrers in seiner Gemeinde von seiner eigenen Persönlichkeit ab. Doch ich hatte noch nie von einem Mann der Kirche gehört, der seine Gaben auf so destruktive und gefährliche Art und Weise angewandt hatte.
    Dank Rubys detailgetreuer Erinnerung sah ich Joel Fain so deutlich vor mir: ein junger, gut aussehender Mann, groß und eindrucksvoll mit seinen kalten blauen Augen, mit dem Ornat eines Geistlichen bekleidet. Eine imposante Erscheinung am Altar, seine tiefe Stimme mit dem Akzent Alabamas, der sich für die Menschen aus Dorset vor fünfzig Jahren so exotisch angehört hatte. Und ich glaube, meine Wut hatte eine ganze Menge mit seinem Aussehen zu tun. Joel Fain war nicht umsonst groß und stattlich gewesen; sein gutes Aussehen hatte einen finsteren Zauberbann um seine arglose Gemeinde gewoben.
    Ich war zur Hauptverdächtigen in einer Mordsache geworden, und zwar meiner Ansicht nach zu einem Großteil deswegen, wie ich aussah. Joel Fain dagegen hatte man nichts als Bewunderung und Respekt entgegengebracht. Sogar Ruby, deren Leben durch Fains Handeln so großen Schaden genommen hatte, hatte ihn noch immer in guter Erinnerung. Und dann war da Edeline gewesen, ebenfalls auffallend hübsch, die ihre Schönheit dazu genutzt hatte, einem exzessiven sexuellen Verlangen nachzugeben, und Archie, der dieselben attraktiven Familiengene gehabt hatte wie Edeline. Ich hatte mir mein ganzes Leben lang solche Mühe gegeben, Menschen nicht ihres Aussehens wegen zu beneiden, aber …
    Ein jäher Gedanke. Fast aus dem Nichts.
    Ich hatte den Einbrecher größtenteils wegen seines Aussehens
mit der Familie Witcher in Verbindung gebracht: durchschnittlich groß, durchschnittlich gebaut, unauffällige Gesichtszüge mit schlaffen Hängebacken und hellen Augen, schüttere graue Haarreste. Walter, Harry und Saul hatten als junge Männer alle Ähnlichkeit miteinander gehabt, und man konnte erwarten, dass sie auf ähnliche Weise alterten. Doch das war nicht der einzige Typus, der in der Familie Witcher vorkam. Archie und Edeline hatten ganz anders ausgesehen: groß und mit athletischem Körperbau, dunkeläugig und attraktiv, selbst mit der ganz leichten Hakennase. Und ich kannte noch jemanden, der so aussah. Einen Mann, der genau im richtigen Alter war.
    Ich fuhr an den Straßenrand, schaute auf die Karte und fuhr wieder los.
    Was war, wenn der jüngere Saul Witcher, der Junge, der mit neun Jahren allein zurückgeblieben war, als seine Mutter ermordet worden war und sein Vater ins Gefängnis musste, heimgekommen war? Was, wenn er auf Rache aus war, an den Dorfbewohnern, die seine Eltern aus ihrem Zuhause vertrieben, die – zumindest seiner Ansicht nach – die Ereignisse ins Rollen gebracht hatten, die dazu führten, dass er zum Waisenkind geworden und in ein liebloses, möglicherweise grausames Kinderheim gesteckt worden war? Saul Witcher junior konnte sowohl psychisch krank als auch gefährlich sein. Und ich hegte eine sehr starke Vermutung, wer es war.
    Ich fuhr in den nächsten Ort und fand die öffentliche Bibliothek. Regentropfen fielen, als ich aus dem Auto stieg. Die Bibliothekarin bediente gerade Besucher, als ich an ihrem Tisch vorüberging und schien mich nicht zu bemerken. Ich fand die öffentlich zugänglichen Computer und tippte den Namen, den ich im Kopf hatte, in die Internet-Suchmaschine. Mehrere Einträge tauchten auf, darunter diverse Verweise auf die Bergbau- und Ölförderfirmen, die dem Mann gehörten, für den ich

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