Schlangenhaus - Thriller
Luftblasen, der an die Oberfläche quillt, zeigt, dass er immer noch brüllt. Ruby kann nicht mehr hinsehen. Sie löst die Hände von den Ohren und schlägt sie vors Gesicht, findet die Worte, um von Neuem zu beten, zu beten, dass es aufhört, dass jemand macht, dass es aufhört. Sie können das doch nicht wirklich ernst meinen, oder doch? Sie werden ihn doch nicht wirklich …
Verstohlen schielt sie zwischen ihren Fingern hindurch. Sie kann es nicht ertragen, hinzusehen, und sie kann es nicht ertragen, nicht hinzusehen. Der Stuhl fängt an zu wackeln, die Holzstangen schlagen klappernd auf die Steinplatten. Saul und Harry drücken ihn fester hinunter, und sie kann sehen, wie die Adern an ihren bloßen Unterarmen hervortreten. Jetzt steigen nicht mehr so viele Blasen an die Oberfläche. Archie lässt seine Bibel sinken, tritt vor und späht in das Becken.
Ruby springt auf und öffnet den Mund.
»Aufhören! Um Gottes willen, holt ihn da raus!«
Es ist nicht Rubys Stimme. Jim Buckler kommt mit großen Schritten den Mittelgang hinunter auf das Becken zu. Ruby ist, als könnte sie vor Erleichterung ohnmächtig werden. Peter Morfet, hochrot im Gesicht, erhebt sich ebenfalls und schließt sich Jim an. Erschütterung ist auf den Gesichtern abzulesen. Manche sehen wütend aus, andere enttäuscht, und wieder andere ungeheuer erleichtert.
Doch Reverend Fain verstellt den Mittelgang, und Ulfreds Retter müssen an ihm vorbei. Und Saul und Harry sind zwei der stärksten Männer im ganzen Dorf. Der Stuhl bewegt sich jetzt nicht mehr, und es sind keine Luftblasen mehr in dem Becken zu sehen.
»Um Himmels willen, hilft uns denn niemand?«, brüllt Peter, und Ruby glaubt zu sehen, wie ein weiterer Mann aufsteht. Harry lässt die Stangen los. Saul schreit ihn an, ruft ihm irgendetwas zu, aber Harry schüttelt den Kopf und weicht zurück. Edeline nimmt Harrys Platz ein und fängt an zu schreien, als Peter Morfet sie packt und versucht, sie fortzuzerren. Jim Buckler und Reverend Fain umklammern einander, sie stoßen und schieben, doch der Reverend ist viel größer, und Jim kommt nicht an ihm vorbei. Die Kirchentür fliegt krachend auf, und Ruby dreht sich um. Sie hofft, noch mehr Helfer zu erblicken, doch die Leute verlassen die Kirche, laufen hinaus in die Dunkelheit.
Weitere Männer, sogar einige von den Frauen, drängen sich nach vorn. Schlägereien brechen im vorderen Teil der Kirche aus. Ruby ist schockiert, als sie sieht, wie der Reverend Jim die Faust gegen die Nase rammt. Blut spritzt in alle Richtungen, ehe es wie winzige Rubine auf dem Steinboden der Kirche landet.
Menschen schreien, brüllen. Manche beten sogar jetzt noch. Ruby wirft einen raschen Blick zu Tür und tritt in den Mittelgang hinaus. Ein schrilles Geheul erhebt sich über dem Getöse, und Ruby kann nicht anders, sie schaut sich um. Zwei Männer haben Edeline an den Haaren gepackt und zerren sie von dem Becken fort. Edeline bäumt sich auf und tritt um sich, und dabei heult sie die ganze Zeit und schreit so fürchterliche Schimpfwörter heraus, dass Ruby sich sicher ist, gleich wird sie der Blitz treffen, denn niemand kann solche Worte in der Kirche laut aussprechen und am Leben gelassen werden.
Edeline hat sich losgerissen. Die Männer versperren ihr den Weg zum Becken, und sie sieht sich wild nach allen Seiten um. Dann schnellt sie vorwärts. Die Männer laufen ihr nach, doch sie hat den Kasten mit den Schlangen erreicht. Das Vorhängeschloss ist nicht eingeschnappt. Noch während sie von dem Kasten weggezerrt wird, greift sie danach, und der Kasten fällt um. Der Deckel klappt auf, und die Klapperschlangen fallen heraus, auf den Steinboden. Einen Augenblick lang liegen sie wie betäubt da, dann setzen sie sich in Bewegung, suchen überall in der Kirche nach Verstecken. Neuerliches
Geschrei erhebt sich. Ruby macht sich abermals zur Tür auf, doch eine davonstürzende Frau stößt sie zu Boden. Schmerz durchzuckt Rubys Körper. Sie hat sich den Rücken heftig angeschlagen und liegt auf etwas Scharfem. Und sie kann Brandgeruch riechen. Sie spürt Hitze und begreift, dass ihr Haar in Flammen steht. Hastig springt sie auf, schlägt auf ihren Kopf ein und schreit ebenso laut wie die anderen. Sie sieht, dass eine von den Gebetsmatten Feuer gefangen hat. Vor ihren Augen lodern Flammen zu der hölzernen Kirchenbank empor. Ruby macht kehrt und rennt los, den hinteren Teil des Kirchenschiffs entlang; dabei reißt sie noch einen Kerzenhalter um. Die Schlange
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