Schlangenjagd
Atemmasken über Münder und Nasen und justierten die Luftzufuhr. Dann setzten sie große Schutzbrillen auf. Als ihm jeder mit einem nach oben gerichteten Daumen das Okay-Zeichen gegeben hatte, wandte sich Juan um und nickte Tiny zu, der auf sein Signal wartete. Der erfahrene Air Force-Pilot hatte seine eigene Sauerstoffmaske bereits aufgesetzt.
Gunderson schloss die Cockpittür, und einen Augenblick später begann der Servomotor, der die hintere Laderampe bewegte, zu winseln. Der Lärm wurde sofort vom Getöse eisiger Luft, die wie ein Wirbelsturm in den Frachtraum hineinfuhr, übertönt. Ein loses Stück Papier wirbelte an Cabrillo vorüber und wurde in den Nachthimmel hinausgesogen.
Er konnte die frostigen Temperaturen auf seinen Wangen spüren, den einzigen freiliegenden Hautpartien seines Körpers. Also schob er den dicken Schal zurecht, den er sich zum Schutz seiner Haut um den Hals geschlungen hatte.
Als die Rampe vollständig ausgefahren war, erschien das Heck des Flugzeugs wie ein tintenschwarzes Loch, in dem es außer dem Funkeln der Sterne, die über dem Horizont zu sehen waren, nichts gab, was den Himmel von der konturlosen Wüste abgrenzte. In dieser Höhe hatte Juan das Gefühl, als brauchte er nur die Hand auszustrecken, um die Sterne zu berühren.
»Komm-Check«, sagte er in sein Kehlkopfmikrofon, und nacheinander meldeten sich die Männer über das taktische Funknetz.
Die gelbe Lampe blinkte. Noch eine Minute.
Zum hundertsten Mal, seit er ins Flugzeug eingestiegen war, ging Juan in Gedanken die Schritte beim und nach dem Aussteigen aus dem Flugzeug durch, wie er vortrat und sich fallen ließ und sofort seinen Rücken durchdrückte, die Arme und die Beine ausbreitete, um den Luftwiderstand zu vergrößern und dadurch den Fangstoß zu mildern, wenn sich der Fallschirm entfaltete. Er konnte an den geschlossenen Augen und konzentrierten Mienen der anderen erkennen, dass sie in diesem Augenblick die gleiche mentale Übung durchführten.
Die Motoren veränderten leicht ihren Ton, als Tiny in einen leichten Steigflug überging, und während sich das Deck nach oben neigte, erlosch die gelbe Lampe und wurde von einer grünen abgelöst.
Im Gegensatz zu jedem anderen Typ vom Kommandounternehmen brauchten die Männer nicht in einer dichten Traube aus der Maschine abzuspringen. Bei einer so kurzen Freifallphase hatten sie genügend Zeit, sich in der Luft zu sammeln und dafür zu sorgen, dass sie nicht getrennt wurden. Nacheinander schlurften die Männer nun vorwärts und verschwanden von der Heckrampe. Die Leichtmotorräder sackten unter ihnen weg, als sich jeder von ihnen streckte, ehe er die Reißleine zog. Als Juan an den Rand der Rampe trat, konnte er vier winzige Lichter auf den Schirmkappen erkennen, die ihre einwandfreie Funktion anzeigten. Wenn sie sich der
Oase des Teufels
näherten, erloschen die Lichter und wurden durch infrarote Lichtquellen ersetzt, die sie mit Hilfe ihrer Nachtsichtbrillen deutlich erkennen konnten.
Cabrillo rollte sein Motorrad in den Abgrund wie ein Rockstar beim ›stage dive‹, jenem rituellen Sprung von der Bühne und in die Arme der Fans. Er breitete die Arme aus und spannte den Rücken, wie er es schon x-mal geübt hatte. Der Fahrtwind zerrte an ihm, doch er schaffte es, die Haltung beizubehalten, und als er spürte, wie er im Begriff war, sich zu drehen und einen Salto auszuführen, veränderte er seine Haltung, um seinen Körper wieder zu stabilisieren. Er griff quer über seine Brust, um die Reißleine zu ziehen, kurz bevor das fallende Motorrad das Ende seiner eigenen langen Leine erreichte. Der Vorschirm sprang heraus und füllte sich mit Luft und zog den Hauptschirm aus seinem Sack.
Juan wusste fast sofort, dass es ein Problem gab. Der Schirm hakte für einen kurzen Moment, als er aus dem Sack rutschte, aber der erwartete Ruck, wenn er sich öffnete, blieb aus. Der Luftwiderstand des teilweise entfalteten Schirms riss ihn zwar zur Seite, doch er stürzte weiterhin nahezu haltlos in die Tiefe, während der knisternde Nylonstoff über seinem Kopf wie ein nicht gespanntes Segel klang, das in einer steifen Brise flatterte.
Es war zu dunkel, um hochzuschauen und erkennen zu können, was passiert war, doch er hatte genügend Sprünge absolviert, um zu begreifen, dass sich die Fangleinen verheddert hatten.
Während seine nächsten Bewegungen ohne übertriebene Hast erfolgten, rasten seine Gedanken. Er verfluchte sich selbst, während er versuchte, die Leinen zu
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