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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Landrover hat den Mann gejagt. Und mitten auf der Straße hat er ihn dann erwischt.« Zur Verdeutlichung des letalen Ausgangs reißt André beide Hände hoch und streckt die Zunge heraus und starrt den Bilch mit aufgerissenen Augen an. »Hat man alles an den Kreidezeichen sehen können. Vielleicht war es auch eine Frau.«
    »Da steht, es sei ein Mann totgefahren worden.«
    »Sag ich doch.« Ärgerlich schüttelt André den Kopf. »Aber der, wo den Landrover gefahren hat, der war vielleicht eine Frau. Kennst du Wanda? Weißt du, diese Sendung im Radio, die Elke hat sie auch immer gehört – also da hat einer angerufen und erzählt, wie er an einem Landrover vorbeigekommen und plötzlich erschrocken ist, weil da eine Frau drin gesessen ist.«
    »Was erzählst du mir da!«, ruft der Bilch und presst beide Hände gegen seine Ohren. »Warum soll jemand erschrecken, weil eine Frau in einem Landrover sitzt? In einem Landrover sitzen immer Frauen, jedermann weiß das, die bringen ihre Kinder darin zur Schule, und wenn ihnen jemand was Böses will, dann können sie damit über den Acker abhauen.«
    »Es gibt hier aber nirgends Äcker.«
    »Darauf kommt es jetzt nicht an!« Der Bilch ist aufgestanden und läuft in der kleinen Küche auf und ab. »Wir haben hier … weißt du, was ein Missing Link ist?«
    »Ja«, sagte André. »Irgendwas mit den Schneidezähnen. Der Beweis, dass wir genauso Affen sind wie die Schimpansen und Gorillas.«
    Der Bilch blickt auf, dann schüttelt er den Kopf. »Von mir aus. Wie auch immer. Eins steht allerdings fest. Ausnahmsweise hat der arme alte Hilfsaffe Bilch diesmal nicht bloß eine alte vertrocknete Schale erwischt, sondern eine ganze Staude frischer knackiger goldgelber Bananen … Hast du übrigens nicht nur eine Maschine, sondern auch Briefpapier für deine gefälschten Entschuldigungsschreiben?«
    André geht in Elkes Zimmer und kommt mit einer angebrochenen Packung Schreibmaschinenpapier zurück. »Du musst es mir ja nicht erklären«, sagt er dann, »aber das mit den Bananen habe ich nicht verstanden.«
    »Ganz einfach«, sagt der Bilch. »Ein schlauer bösartiger Gorilla mit sehr vielen Bananen soll vor Gericht, weil er die Bananen geklaut hat. Aber seine Freunde sagen, das geht leider nicht, der Gorilla ist irgendwo im Wald, und wo seine Bananen sind, das wissen wir natürlich nicht, hat er überhaupt welche gehabt? So! Aber der arme alte Bilch weiß jetzt, in welchem Wald der schlaue böse Gorilla lebt und auf welchem Baum man ihn findet …« Der Bilch setzt sich wieder, schiebt seinen Teller zur Seite, zieht die Schreibmaschine zu sich heran und spannt ein erstes Blatt Papier ein.
    »Dass Gorillas auf Bäumen leben, glaub ich nicht«, wendet André ein. Aber der Einwand geht im Klappern der Schreibmaschine unter, und so nimmt sich André die Zeitung vor und versucht den Artikel zu lesen, auf den der Bilch so abgefahren ist, aber so richtig schlau wird er nicht daraus, und so geht er in sein Zimmer und schaltet das Radio ein, aber auf Radio Fünf Neunundsechzig reden die Leute gerade über Schuppenflechte. Wenn nebenan nicht der Bilch hockte und klapperte, würde André sich am liebsten nackt ausziehen und ins Bett legen und die Decke zwischen die Beine klemmen. Aber das geht jetzt nicht, höchstens nur ein bisschen und verstohlen.
    »Hey!«, ruft nebenan der Bilch, »was treibst du da? Holst du dir einen runter? Komm lieber her und hilf mir, die Elke hat doch so Bücher mit Lyrik, mit gereimtem Zeug, weißt du! Guck mal, ob du da Rilke findest – Rilke, so heißt einer von diesen Dichtern.«
    André drückt seinen Ständer hoch, dass er den Reißverschluss der Hose wieder zuziehen kann, und macht sich mit gerötetem Gesicht auf die Suche. Das heißt, viel Arbeit hat er dabei nicht, neben Elkes Bett steht ein Bücherregal, er weiß ungefähr Bescheid, was dort steht – nämlich so gut wie keine Sachen, die einem helfen, wenn man sich etwas vorstellen will. Tatsächlich findet er einen abgegriffenen Leinenband, auf dem »Rilke« steht, und bringt ihn dem Bilch. Der sitzt vor der Schreibmaschine und sieht noch dicker aus als sonst, so sehr gefällt ihm selber, was er da getippt hat.
    »Gib her«, sagt der Bilch, » Duineser Elegien , da muss doch irgendwo ein Name vorkommen. Hier! Gaspara, passt doch, aber der Kasper ist jemand anderer!« Die Maschine rattert, so rasch tippt er die letzten Zeilen, dann zieht er den Bogen aus der Maschine und reicht ihn André: »Lies!«
    Sehr

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