Schlangenkopf
geehrter Herr Matthaus, im Hinblick auf die geplante Übernahme der Privatbank Oheymer & Jaumann durch die Landesbank Süd wäre es für die Öffentlichkeit von großem Interesse, Näheres über die Geschäftsbeziehungen zu erfahren, die Oheymer & Jaumann zu der Hephaistos AG Basel unterhalten. Insbesondere wäre zu untersuchen, welche Geldflüsse warum an die Hephaistos-Teilhaber Jovan Mesic und Daniel Kirstejn erfolgt sind und in welchem Verhältnis diese beiden Herren zueinander stehen. Wie jüngste Ereignisse vermuten lassen, ist dieses Verhältnis ein sehr enges, fast möchte man trotz der Namensungleichheit sagen: eines wie von Zwillingsbrüdern, die sich bekanntlich aufs Haar gleichen.
Da Sie, sehr geehrter Herr Matthaus, ein profunder Kenner auch der Hephaistos AG sind, habe ich keinen Zweifel, dass sich zwischen uns ein fruchtbares Gespräch ergeben wird. Sie werden so freundlich sein, nach Erhalt dieses Briefes unverzüglich den Berliner privaten Sender Fünf Neunundsechzig anzurufen und sich für das von Wanda Kuhlebrock moderierte Wunschkonzert den Song Like a puppet on a string zu wünschen, wobei Sie bitte einen Gruß an Gaspara hinzufügen sollten, die eine sehr schöne und rätselhafte Frau sei und bitte bald anrufen solle. Außerdem nennen Sie den Ort, an dem Sie telefonisch erreichbar und unter Ihrem Namen im Telefonverzeichnis aufgeführt sind. Andernfalls müssten Sie sonst eine Nummer angeben, unter der ich Sie anrufen kann.
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung …
André hat zu Ende gelesen. »Versteh ich nicht. Was ist das für eine Puppe?«
»Das ist ein Song von Sandie Shaw«, antwortet Bilch. »Und die Puppe ist er selber. Weil wir ihn nämlich an den Drähten haben und hüpfen lassen, dass er nicht mehr weiß, ob er Männchen ist oder Weibchen. Aber schreib jetzt diesen Namen drunter: Gaspara Stampa!« Er hält ihm einen Kugelschreiber hin und deutet auf eine Zeile in dem aufgeschlagenen Gedichtbuch. Gehorsam nimmt André den Kugelschreiber und malt den Namen unten auf das Blatt.
»Du hast mir noch immer nicht gesagt, wer das ist, diese Gaspara«, nörgelt er dabei.
»Eine Frau eben«, antwortet der Bilch. »Eine Frau aus einem von diesen gereimten Sachen. Eine schöne Frau. Steht doch da in dem Brief. Hast du dir nie vorgestellt, du wärst eine? Na?«
»Du spinnst«, antwortet André und spürt, dass er rot geworden ist.
E s ist früher Nachmittag, vor dem Lift warten zwei Rollstuhlfahrer, so nimmt Barbara die Treppe. Oben am Treppenaufgang kann sie den ganzen Korridor überblicken, im Gegenlicht sieht sie den Mann, der auf einem Stuhl vor dem Krankenzimmer Platz genommen hat. Sofort begreift sie, dass der Mann nicht wartet, sondern dass er dort auf Wache sitzt, sie erkennt es an der Haltung oder weiß es einfach. Als sie näher kommt, sieht sie, dass er eine Polizeiuniform trägt, er steht auf und hebt grüßend eine Hand.
»Sie wollen zu dem Patienten Zimmer 137?«, fragt er und gibt sich sehr höflich.
Barbara nennt ihren Namen und fügt hinzu, dass MdB Fausser sie erwarte. Der Polizist nimmt sein Mobiltelefon und gibt ihren Namen ein, dann schüttelt er bedauernd den Kopf.
»Tut mir leid, aber Sie sind nicht auf der Liste der Besuchsberechtigten.«
Sie protestiert, der Besuch sei unter ausdrücklicher Zustimmung der Chefärztin Dr. Capotta sowohl mit Fausser selbst als auch mit seiner Ehefrau Brigitte vereinbart – »… mehr Absprache ist beim besten Willen nicht möglich!«
Der Beamte wiederholt, dass er leider an seine Anweisungen gebunden sei. »In der Liste, die wir von der Familie bekommen haben, ist Ihr Name nicht eingetragen. Das ist sicher nur ein Versehen, aber ich muss Sie bitten, sich mit Frau Brigitte Fausser in Verbindung zu setzen.«
Barbara Stein holt Luft zu einem weiteren energischen Protest, aber in diesem Augenblick öffnet sich die Tür des Krankenzimmers und Carla Jankewitz tritt heraus und schließt die Türe hinter sich.
»Hier – fragen Sie Frau Jankewitz, sie wird Ihnen bestätigen, dass ich mit der Familie bekannt bin«, sagt Barbara Stein hoffnungsvoll und nickt Faussers Mitarbeiterin aufmunternd zu. Doch die hebt nur entschuldigend beide Hände.
»Sie müssen auf der Liste stehen«, beharrt der Polizist, nun schon weniger höflich im Ton.
»Sorry«, sagt Carla Jankewitz zu Barbara, »Sie hören es ja … ich kann Ihnen gerne bestätigen, was immer Sie wollen, an ihm kommen Sie nicht vorbei, beste Berliner Schule, ich hab mir heute
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