Schlangenkopf
stellen und Auskunft zu geben und den Frankfurter Kollegen zu vertrauen. Aber welche Weisungen hätten die Frankfurter Kollegen bekommen und von wem? Ganz davon abgesehen, dass Berndorf bei der Polizei schon lange keine Kollegen mehr hat.
Ein Schnarren aus der Tasche von Berndorfs Sakko meldet, dass auf seinem Handy eine Nachricht eingelaufen sei. Er holt das Handy heraus und liest:
Besorg dir ein berliner volksblatt von heute .
Sonst nichts. Vor allem kein Gruß. Berndorf zuckt mit den Schultern und bittet Zlatan, auf ihn zu warten. In der Cafeteria gibt es nur das Lügenblatt, also muss er in den Verkaufsraum der Tankstelle, bekommt dort tatsächlich ein Volksblatt und findet auch ziemlich schnell das, was ihn betrifft.
»Neuigkeiten?«, fragt Zlatan, als Berndorf zurückkommt.
»Neuigkeiten? Nein«, antwortet Berndorf. »Nichts, was für uns neu wäre.« Er schiebt das Volksblatt über den Tisch, es ist so aufgeschlagen, dass Örtleins Artikel oben liegt. Er beobachtet Zlatan, der den Artikel mit der gleichen ungerührten Miene liest, die Berndorf schon vorhin an ihm aufgefallen ist.
»Was bedeutet dieses … dieser Bericht für uns?«, fragt Zlatan schließlich und faltet das Blatt wieder zusammen. »Das heißt – was bedeutet er für Sie, und was bedeutet er für mich?«
»Das ist die falsche Frage«, gibt Berndorf zurück. »Die Frage ist, was dieser Bericht für Olga bedeutet. Und für den Sniper …« Er bricht ab. Nichts bedeutet es. Falls die Leute, für die Olga arbeitet, wirklich entschieden haben, einen Scharfschützen vor dem Eingang zum Internationalen Gerichtshof zu postieren, dann werden sie sich von einem Bericht im Lokalteil des Berliner Volksblattes nicht davon abbringen lassen.
Also haben sie diese Leute weiter am Hals. Dazu kommt, dass er und Zlatan in der nächsten Zeit keine Polizeistation aufsuchen sollten, keine deutsche und keine niederländische. Jedenfalls nicht freiwillig. Auch hat es gar keinen Sinn mehr, sich Schleichwege auszudenken, um es doch noch bis zum Internationalen Gerichtshof zu schaffen. Wenn es denn gelingen würde und irgendeiner der Ankläger dort sie anzuhören bereit wäre – welchen Glauben würden sie denn jetzt noch finden? Berndorf sieht die Szene vor sich, sieht sich vor einem internationalen Anzugträger mit Prädikatsexamen und Stirnglatze sitzen, der ihn mit erhobenem Kopf mustert und ihn fragt:
»Sie sprechen von diesen Anschuldigungen, die in dieser Berliner Zeitung angedeutet werden, ja? … Ich komme später darauf zurück … Trifft es übrigens zu, dass Sie selbst mit internationalem Haftbefehl gesucht werden?«
Nein, danke. Er trinkt noch einen Schluck Mineralwasser und nickt Zlatan zu. Dann geht er zur Eingangstür und bleibt vor der Übersichtskarte mit dem Autobahnnetz stehen. Vom Autohof sind es nur wenige Kilometer zum Kölner Westkreuz.
»Sagen Sie«, hört er Zlatan fragen, der neben ihn getreten ist, »könnten Sie mir helfen, dass ich nach Schweden komme? Ich kenne jemand dort, von früher.«
Schweden. Je nun, denkt Berndorf. Für die Verfolgten und Bedrückten dieser Welt ein gelobtes Land, auch wenn die Begeisterung der Schweden, eine solche Zuflucht zu bieten, in letzter Zeit etwas nachgelassen hat. Zum Glück hat er das nicht zu beurteilen. Berndorf fährt mit den Finger eine mögliche Linie nach – Westkreuz, dann nicht Richtung Amsterdam, sondern auf die Autobahn A 1 nach Hamburg und von dort weiter nach Lübeck oder auch nach Rostock, denn von Rostock, das fällt ihm gerade ein, verkehrt eine Fähre nach Schweden. Und man muss nicht einmal die ganze Strecke auf der Autobahn bleiben. Man könnte über Wismar fahren, war Wismar nicht überhaupt einmal schwedisch, ziemlich lange Zeit sogar? Und weiter nach Rerik am Salzhaff, mit dem Weiler Blengow, in dem bestimmte Leute seit einiger Zeit ihre Datsche haben, auch wenn man das eigentlich so nicht mehr nennt?
»Schweden«, sagt Berndorf, »Schweden ist gar keine so schlechte Idee …«
H ast du das mitgekriegt«, fragt der Bilch und lässt die Zeitung sinken, »da ist einer totgefahren worden, hier bei euch um die Ecke?«
»Am Montag war das«, antwortet André, »ich hab’s gehört.«
»Du hast was gehört?«
»Es war ein Landrover. Den hab ich gehört. Wie der Motor aufgejault hat und wie der Wagen an der Mauer vom Friedhof entlang geschrammt ist, weil er den Mann über den Gehweg gejagt hat …«
»Moment«, sagt der Bilch, »wer hat wen gejagt?«
»Der Fahrer vom
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