Schlangenkopf
das die Tasche ausbeult, auch noch. »Danke«, sagt Berndorf, der die Handbewegung gesehen hat, und schüttelt ein wenig den Kopf. »Ihr bleibt bitte hier. Das heißt – nicht hier in der Küche. Geht in den Flur, nehmt eure Mäntel mit, das Küchenlicht lassen wir brennen, aber macht im Flur kein Licht, wartet, bis ich Barbara anrufe …« Er geht zum Radio und dreht es wieder auf, aber jetzt hört man leider nicht Edith Piaf, sondern Wanda Kuhlebrock.
»Hör mal«, sagt Barbara, »Du kannst uns hier nicht wie die Kinder zur Strafe in den dunklen Flur stellen und sagen, wartet mal brav, bis die Mama euch ruft …«
»Man stellt keine Kinder in den dunklen Flur«, antwortet Berndorf. »Auch nicht zur Strafe. Mit Abscheu und Empörung weise ich das zurück. Aber tut, was ich sage. Bitte! Und schmeiß diese Katze raus, sie hat Flöhe.«
»Sollten wir nicht die Polizei verständigen?«, fragt Dingeldey besorgt.
»Und um Polizeischutz bitten, weil uns eine Polin Blumen bringen will? Ihr könnt es ja versuchen!« Er zieht die Tür hinter sich zu, bleibt aber einen Augenblick im Hauseingang stehen und schlägt den Mantelkragen hoch, denn es ist frisch geworden. Er atmet tief ein und bildet sich ein, das Meer zu riechen. In seiner Manteltasche hängt schwer die Taschenlampe, die er aus der Küche mitgenommen hat.
Die Kate ist das letzte Haus im Dorf, eine Sanddornhecke zieht sich von der Dorfstraße bis zum Schuppen und grenzt das Grundstück zum Nachbarn hin ab. Doch was heißt Nachbar? Das Haus dort steht schon lange leer. Weiter vorne spiegelt sich das Licht der letzten Straßenlampe in schwärzlichen Pfützen, rechts geht die Dorfstraße in eine von schrundigen Bäumen bestandene Allee über. Ihm gegenüber liegt ein lang gestrecktes, aus Backsteinen gemauertes niedriges Gebäude, in dem einstmals wohl die Ställe und Remisen des Gutes Blengow untergebracht waren.
Niemand ist zu sehen, nirgends ist ein fremder Wagen abgestellt.
D er Mann auf der Terrasse hustet, dann hört Olga das Öffnen und Schließen einer Tür. Also ist er ins Haus zurückgegangen. Sie richtet sich wieder auf und geht weiter. Als die Wolken aufreißen, sieht sie links von sich den Neubau, der noch nicht bezogen ist. Danach muss das Anwesen kommen, das zum Verkauf angeboten ist, und dahinter der Schuppen mit der Tür zu den Feldern hinaus. Dann steht sie auch schon neben der dunklen Bretterwand, sie schiebt sich an ihr entlang, bis sie zu dem vergitterten Fenster und dann an den Türrahmen kommt. Dort setzt sie die Sporttasche ab und holt eine Sprühdose mit Maschinenöl hervor. Mit der Hand tastet sie das Schlüsselloch ab, nimmt die Sprühdose und ölt damit das Schloss. Schließlich holt sie den Bund mit den Dietrichen aus der Tasche, muss aber doch mehrere Versuche unternehmen, bis einer der Haken greift und den Türriegel zurückschnappen lässt.
Wieder wartet sie, bevor sie die Tür aufstößt. Der hauchdünne Strahl ihrer Taschenlampe tastet über die Karosserie eines Kleinwagens, das Kennzeichen ist westdeutsch, fast sofort weiß Olga, dass auch dies ein Mietwagen ist – vermutlich in Bonn angemietet. Der Schuppen ist größer als eine Garage sonst, neben dem Wagen sind Gartenmöbel gestapelt, rechts schließt sich ein gemauerter Anbau an, eine Metalltür führt dorthin. Sie schaltet die Taschenlampe wieder aus, sie hat genug gesehen und findet jetzt an dem Wagen und den Gartenmöbeln vorbei zum Tor, es hat zwei Flügel und ist von außen verschlossen, vermutlich sind einfach nur ein oder zwei Riegel vorgelegt.
Sie will weiter zu der Metalltür gehen, aber ihr Fuß verhängt sich, fast wäre sie gestürzt. Sie tastet nach dem Hindernis, es ist halbhoch und aus Blech oder sonst einem Metall, sie beugt sich darüber und riecht den Geruch von Holzkohle, ein Grill, nichts weiter. Unvermittelt erstarrt sie und tastet nach der Pistole in ihrer Jacke.
Von draußen hört sie Schritte.
B erndorf geht vorbei an Barbaras Auto, weiter bis zum Schuppen, und bleibt unter dessen auskragender Dachtraufe stehen, neben dem Tor, bei dem er vor Stunden schon, als sie angekommen waren, die beiden Riegel vorgelegt hat. Außerhalb des Lichtfeldes, das die Küchenlampe nach draußen wirft, ist es dunkel, auch wenn die rasch vorbeiziehenden Wolken den Hinterhof immer wieder für einen Augenblick oder zwei in das kalkige Licht des halben Mondes tauchen.
In seiner Tasche spürt er das Handy. Er sollte es ausschalten, ein Anruf im falschen Augenblick
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