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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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gewesen, dass Zlatan im Geschäftsmann Kirstejn den früheren General Mesic erkannt hat, und dass er daraufhin Kontakt zu dem Abgeordneten Fausser aufzunehmen versucht hat. Ist das so weit richtig?«
    Berndorf murmelt Zustimmung.
    »Halten Sie daran fest, auch wenn die Person Zlatan ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt hat?«
    »Einspruch!«, sagt Berndorf. »Zlatan, wie wir ihn kennen, ist nicht der Zlatan Sirko, der zu sein er vorgegeben hat. Aber er kommt aus Jugoslawien und wird während des Bürgerkriegs sehr wohl diesem General Mesic begegnet sein. Und die Begegnung von Kirstejn mit diesem Monsignore hat er nicht erfunden, die hat stattgefunden. Also spricht einiges dafür …«
    »Moment!«, unterbricht ihn Dingeldey. »Sie halten also an Ihrer These fest. Aber sie hat ein Missing Link .«
    Berndorf schüttelt kurz den Kopf. Er ist wirklich zu alt, denkt er bei sich, um hier vorgeführt zu werden wie ein Examenskandidat beim Repetitor.
    »Wenn Ihre These richtig ist«, fährt Dingeldey fort, »dann ist das ganze nachfolgende Geschehen durch den Anruf von Zlatan bei Fausser ausgelöst worden. Wissen Sie was? Wir machen es wie im Kriminalroman der alten Schule und trommeln morgen Vormittag – Sonntagsruhe hin, Morgenschlaf her – ein paar der Beteiligten zusammen. Sie zum Beispiel müssen nicht unbedingt erscheinen, aber Barbara sollte kommen. Aber jetzt müssen Sie mich entschuldigen, ein paar Stunden Schlaf brauch auch ich!«

Sonntag

N ebel liegt an diesem Morgen über der Stadt und lässt die Umrisse der Bäume im Alten Garnisonfriedhof verschwimmen, es sieht aus, als schwebten sie und seien gar nicht auf Dauer hier. André schlägt beim Gehen die Arme über der Brust zusammen, es fröstelt ihn, und so muss er schon daran denken, dass es in der Wohnung in Dahlem warm gewesen wäre und dass es dort ein Frühstück gegeben hätte.
    Aber er hat gar keinen Hunger.
    Irgendwann in der Nacht war die Elke da gewesen, sie hatte den weißen Rock getragen und die blauviolette Bluse, und sie waren zum Bahnhof gegangen, und es war alles gut, aber dann war zuerst er in den Zug eingestiegen und sie hatte ihm den Koffer hochgereicht, und er war zu ungeschickt gewesen und hatte zu lange gebraucht, und so hatten sich die Zugtüren geschlossen, und die Elke konnte nicht mehr mit, und er sah nur noch ihre erschrockenen Augen und, als Letztes, wie sie ihm eine Kusshand zuwarf.
    Dann war er in einem dunklen Zimmer gewesen mit hohen Bücherwänden und hatte erst nicht gewusst, ist das jetzt die Fortsetzung oder ist er in einem anderen Traum? Schließlich hatte er begriffen, dass er in dem Zimmer in Dahlem lag, auf der Liege, die sie gestern für ihn aufgeschlagen hatten und dass sie heute darüber reden wollten, wie es weitergehen soll mit ihm. Er war dann leise aufgestanden und hatte sich angezogen und war ganz vorsichtig – denn es ist ein altes Haus, und die Dielen knarren – über den Flur zur Wohnungstür gegangen und hatte sie aufgeschlossen und behutsam wieder hinter sich zugezogen.
    Da war es noch ganz früh gewesen, aber die U-Bahn-Station Podbielski-Allee hatte schon geöffnet gehabt, und er war in die Stadt gefahren, zuerst bis zum Alexanderplatz, wo er zugesehen hatte, wie die Kioske und die Stehcafés öffnen und später die Läden, und irgendwann war er dann schon bei den Hackeschen Höfen gewesen und immer näher zum Haus gekommen, obwohl dieser Berndorf ihm gesagt hatte, dass man ihn dort suchen werde. Aber man kann nicht so einfach weg von einem Haus, wenn man da gelebt hat, und überhaupt! Was ist, wenn die Elke zurückkommt, und er ist nicht da?
    André hat jetzt den Garnisonfriedhof durchquert und tritt auf die Linienstraße hinaus und wendet sich nach links. Doch dann sieht er den grauen Wagen und macht auf dem Absatz kehrt und schlüpft durch den Durchlass zurück auf den Friedhof und fängt an zu rennen, so schnell er kann, zu der kleinen Pforte, von der er auf die Mulackstraße kommt, und weiter nach links ins Scheunenviertel hinein. Denn den grauen Lieferwagen, der vorne vor dem Haus geparkt war, wie man eigentlich nicht parken darf, es sei denn, man ist bei der Bullerei: den hat er schon einmal gesehen. Und zwar, als man dem Bilch den Laden ausgeräumt hat.
    Vor sich sieht er die U-Bahn-Station Weinmeisterstraße, wo er die Treppen hinunterrennt und gerade noch in einen Zug hineinwitscht, als die Türen auch schon zuschnappen, fast wie in seinem Traum.
    »Hey Kleine! Hast es ja mächtig eilig!«, hört

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