Schlangenkopf
eine Serie auf. Dann will er noch ein paar Angaben, das ist eine weitere Erfindung der Controller, dass die Fotografen nun auch um die Texte besorgt sein müssen.
»Ja also, das soll also ein Kloster werden, hab ich das richtig verstanden?«, fragt Örtlein. »Aber früher war es doch schon einmal eines, oder nicht?«
»Das war ein Franziskanerkloster, das ist richtig«, antwortet Majewski, »aber es ist vor fünfhundert Jahren aufgehoben worden, später war es ein Gymnasium, hat also dem Staat gehört, und es ist der Staat, der die Ruine gesichert und erhalten hat. Mit dem Geld der Bürger, versteht sich, so wie das ganze Kloster erbaut worden ist, nicht von den frommen Mönchen, sondern von ihren Untertanen: mit deren Blut, mit deren Schweiß und deren Tränen!«
Örtlein nickt. »Aber«, sagt er dann, »wenn ich das richtig mitbekommen habe, wollen diese Klosterleute für das Grundstück samt Ruine ja bezahlen, zwei Millionen oder so, das ist doch nicht nichts …«
»Nein, das ist nicht nichts. Nur hat der Senat nicht zu verkaufen, was dem Bürger gehört«, antwortet Majewski. »Und diese Ruine ist ein Denkmal gerade deshalb, weil es jetzt den Bürgern gehört. Das soll und darf nicht mehr rückgängig gemacht werden. In dieser Ruine finden jetzt nicht mehr die Zwangsrituale einer heuchlerischen Frömmigkeit statt, sondern Konzerte und Ausstellungen und Feste einer frei gewordenen Bürgerschaft. Im Übrigen wundere ich mich schon sehr, dass die Kirche in diesen Zeiten das Geld für ein so aufwendiges Projekt hat. Sonst hört man sie doch nur jammern.«
Örtlein hat mitgeschrieben, dann bedankt er sich bei Majewski – der sich mit einem angedeuteten Kopfnicken revanchiert –, steckt seinen Notizblock ein und schultert den Lederkoffer mit der Fotoausrüstung. Er wendet sich zur Klosterstraße, wo er seinen Wagen abgestellt hat, als ihn ein älterer Mann in einem dunklen Lodenmantel anspricht:
»Herr Örtlein? Gregor Örtlein?«
Der Fotograf bleibt stehen. Der Mann im Lodenmantel holt aus seiner Brieftasche einen vergilbten Zeitungsausschnitt; auf einen Blick erkennt Örtlein das Bild, es ist die Aufnahme aus dem Gefangenenlager bei Medjugorje, es ist eines von den Fotos, die er ziemlich gut verkaufen konnte, so viele gibt es davon nicht.
»Mein Name ist Berndorf«, sagt der Mann. »Dieses Foto steht möglicherweise in Zusammenhang mit einem Todesfall. Es wäre mir sehr wichtig, etwas über die Umstände zu erfahren, unter denen es aufgenommen wurde.«
»Ermittlungen? Todesfall? Sind Sie Polizist?«
Berndorf schüttelt den Kopf. »Privat.« Er steckt den Ausschnitt wieder in die Brieftasche und holt dafür eine Visitenkarte heraus. Zögernd nimmt Örtlein die Karte.
»Wenn Sie nicht von der Polizei sind – warum sollte ich Ihnen Auskunft geben?«, fragt er dann. »Und wie haben Sie mich überhaupt ausfindig gemacht?«
»Im Internet. Und dann habe ich in der Redaktion angerufen. Dort sagte man mir, Sie hätten diesen Termin hier.«
»Diskretion ist ein Fremdwort«, bemerkt Örtlein. »Nun gut. Sie verdienen also Ihr Geld mit Ermittlungen. Wer zahlt mir etwas?«
»Überlegen Sie doch!« Berndorf hält den Kopf ein wenig schief. »Ein fünfzehn Jahre altes Foto, längst vergilbt und vergessen – und plötzlich ist es Beweisstück, vielleicht sogar in einem Mordfall. Meinen Sie nicht, dass Sie sich da um das Honorar nicht sorgen müssen? Die Rechte liegen doch wohl noch immer bei Ihnen?«
»Mit den Rechten ist das so eine Sache …« Örtlein zögert.
»Aber das Negativ werden jedenfalls Sie haben«, meint Berndorf. »Aber wie ist es nun – müssen Sie sofort in die Redaktion zurück, oder reicht es noch für einen Kaffee?«
Z um Frühstück gibt es Pulverkaffee und Knäckebrot mit Konfitüre, denn Zlatan hat ein Glas davon gefunden, das noch nicht schimmelig ist. Sie frühstücken in der Küche, es ist kalt, aber Elfie will nicht, dass er die Heizung aufdreht, was glaubt er denn, wie sie das bezahlen soll? Aus der Erbschaft werden ihr doch nur Schulden bleiben, notfalls muss sie das Erbe ausschlagen, das haben sie ihr auf der Beratungsstelle gesagt.
»Welche Beratungsstelle?«
»Ach! Was du immer fragst! Ich hab manchmal Probleme mit den Augen, da muss ich mich eben beraten lassen.«
Zlatan trinkt einen Schluck vom Pulverkaffee und verzieht das Gesicht. »Die vielen Bilder hier im Haus – wo hatte er die her?«
»Bilder!«, schnieft Elfie verächtlich. »Hab ich mir nie was draus gemacht.
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