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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Muss ich nicht haben.«
    »Aber dein Onkel – wo hatte der sie her?«
    Sie zuckt mit den kompakten Schultern. »Der hat damit gehandelt. Schon der Großvater hat das gemacht.« Plötzlich muss sie kichern. »Da war doch die Zeit, in der die Juden weg mussten. Und wie sie deren Sachen versteigert haben, war der Opa immer dabei und hat auf die kleinen Sachen geboten, auf die Sachen, die was Besonderes sind, die aber nicht auffallen, verstehst du?«
    »Und hat er die Sachen später nicht zurückgeben müssen? Als der Krieg vorbei war?«
    Elfie schüttelt energisch den Kopf. »Wem zurückgeben? Die Juden waren doch alle tot. Ins Gas hat man die geschickt.« Sie schüttelt sich. »Ins Gas! Ich hab Angst vor Gas. Hier im Haus hat es auch Gas. Wenn ich es doch behalten kann, das Haus, dann kommt als Erstes die Gasleitung raus …«
    »Und von den Juden ist niemand zurückgekommen und hat gefragt, wo die Sachen sind?«
    »Was du nur hast!« Sie lacht. »Der Opa hat die Sachen ja längst weiterverkauft, so dumm war der nicht! Aber es war ja sowieso nur altes Zeug, das hat bald gar keinen Wert mehr gehabt, und als der Opa tot war, waren nur Schulden auf dem Haus, und der Onkel wollte es eigentlich gar nicht nehmen.«
    »Aber dann hat er es doch genommen? Und hat mit den Bildern gehandelt?«
    »Der hat ja sonst nix gelernt«, antwortet Elfie. »Manchmal, wenn ich bei ihm zu Besuch war, hat er mich mitgenommen zu Leuten, für die er ein Bild hat sollen verkaufen, und ich weiß noch, wie er den Leuten immer gesagt hat, dass man dafür eigentlich gar nichts kriegt … Einmal hat er mir erklärt, wie das ist. Wenn du richtige Bilder malen kannst, hat er gesagt, dann ist das Kunst und heißt auch so: Kunst eben. Wenn es aber keine Kunst ist, hat es keinen Wert, und die Leute zahlen nix dafür. Aber wenn es doch Kunst ist, dann kapieren es die Leute nicht, und zahlen schon wieder nichts.«
    »Es gibt aber Leute«, wendet Zlatan ein, »die machen mit Bildern richtig viel Geld.«
    »In Heddernheim?«, fragt Elfie zurück. »Das glaubst du doch selbst nicht.« Sie greift nach der Kaffeetasse, merkt aber sofort, dass sie leer ist. »Aber du – was hast du jetzt vor?«
    »Meinen Cousin besuchen«, antwortet Zlatan, etwas zögerlich. »Vielleicht hat er Arbeit für mich.«
    »Ich denke, du bist Kellner? Das hast du mir doch gesagt. Kellner in einem großen, einem richtig vornehmen Hotel in Berlin?«
    »Das war ich auch. Aber …«
    »Die haben dich rausgeschmissen?«
    »Das Geschäft ist schlechter geworden, die Leute wollen kein Geld mehr ausgeben, alle Hotels spüren das. Also trifft es das Personal, und beim Personal die, die keine Familie haben – so ist das nun mal.«
    »Du hast also keine Arbeit, und Geld hast du auch keins mehr«, stellt Elfie fest. »Und ich, ich hab auch kein Geld. So gut wie keines. Da passen wir nicht so gut zusammen, weißt du das?«
    »Das hab ich schon verstanden«, antwortet Zlatan. Er steht auf, und weil er weiter kein Gepäck mit sich führt, braucht er der Elfie nur noch viel Glück und gute Nerven zu wünschen.
    Dann ist er auch schon draußen, es ist ein nebliger Morgen, der Nebel riecht ein wenig streng, und doch atmet Zlatan durch, nach der Nacht im Totenhaus fühlt er sich fast befreit. Er geht zielstrebig, aber in Wirklichkeit weiß er nicht, wohin er gehen soll und was er dort tun wird. Seinen Cousin wird er ganz sicher nicht aufsuchen, denn er hat gar keinen. Er könnte nach Sachsenhausen fahren, und im Grill Dalmacija bei Ibramovic vorsprechen. Aber der Patron ist sauer gewesen, als Zlatan nach Berlin gegangen ist. Nicht bloß sauer.
    Wenn es schief geht, hat Ibramovic ihm zum Abschied gesagt, dann bild dir bloß nicht ein, dass du hier wieder antanzen kannst!
    Außerdem: Zlatan hat ja nicht schwarz bei ihm gearbeitet. Es steht in seinen Papieren. Der Personalchef im Brandenburg Residence hat es in seinen Unterlagen, die Kollegen wissen es.
    Also können es auch die Leute wissen, die einem nachts mit einem Auto auflauern.
    Also bleibt er besser gar nicht erst in Frankfurt.
    Vor ihm kommt die U-Bahn-Station in Sicht. Hinter sich hört er jemanden rufen. Das kann nicht ihm gelten.
    Trotzdem ruft die Stimme: »Zlatan! So warte doch …«
    A ndré steht im Badezimmer und betrachtet im Spiegel den Pickel, der ihm auf dem Nasenflügel gewachsen ist. Aber er ist noch nicht reif genug, um ihn auszudrücken, das ist schade.
    In seinem Zimmer läuft das Radio und bringt eine Zeitansage, es ist halb

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