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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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nur ein Stapel Papier darin, irgendwelche Schreiben von Krankenversicherung und Rentenkasse, die der alte Mann vor seinem Tod nicht mehr beantwortete.
    Er misst mit der Hand die ungefähre Tiefe dieses leeren Faches aus und vergleicht sie mit der Außenwand des Sekretärs. Ein Geheimfach kann da nicht verborgen sein. Er geht zwei Schritte zurück und mustert mit zusammengekniffenen Augen den Aufbau des Sekretärs, schätzt die Höhe der Nut ab, in der die Schreibplatte einrasten muss, um Halt zu haben, und vergleicht sie mit der obersten Kante der Schublade darunter. Dann tritt er wieder an den Sekretär heran, der Boden des leeren Faches ist mit einem Dekor von Intarsien geschmückt, er legt die Hand darauf und bewegt sie leicht, er spürt, dass diese Bodenplatte nicht fest verankert ist und zieht sie ohne große Mühe heraus.
    Die Intarsienarbeit zeigt einen Joker: einen Männerkopf mit einer Narrenkappe.
    In dem Fach, das unter der Bodenplatte verborgen war, liegt eine handliche Pistole mit kurzem Lauf. Zlatan, der seinen Wehrdienst einst bei der jugoslawischen Volksarmee abgeleistet hat, ist sich sofort sicher, dass es sich bei der Waffe weder um eine Antiquität noch um ein Faschingsspielzeug handelt. Er nimmt sie vorsichtig hoch, es ist eine Walther, gepflegt und vermutlich voll funktionsfähig, außerdem liegen zwei Magazine mit jeweils acht Patronen in dem Fach, Kaliber 7.65 mm.
    »Ach«, sagt Elfie enttäuscht, die ihren Kopf über die Schreibtischplatte gebeugt hat, »das ist bloß seine Knarre.«
    »Wo hat er sie hergehabt? Und wozu hat er sie gebraucht?«
    Elfie zuckt abschätzig mit den Schultern. »Der Onkel hat schon auch so Männer gekannt … So Männer eben, die einem so ein Ding besorgen. Er hat immer gesagt, er braucht keine Alarmanlage und auch keine Gitter vor den Fenstern – wenn sich zu ihm ein Einbrecher verirrt, dann hat der ganz schnell ein Loch im Kopf, und der Kittel ist geflickt …«
    »Er muss ein netter Mann gewesen sein, dein Onkel.«
    »Ach!«, meint Elfie schnippisch, »manchmal schon. Er ist auch schon mal in den Taunus gefahren, in einen Wald, und hat da geübt. Einmal hab ich mit ihm fahren dürfen, und er hat mich auch schießen lassen … Mann!, das macht einen Knall, und es reißt dir die Hand hoch, das glaubst du nicht.«
    »Doch«, meint Zlatan, »das glaub ich dir schon … aber worauf hast du geschossen?«
    »Wie – worauf?«, fragt Elfie zurück. »Du drückst ab, und es macht einen unglaublichen Knall … weißt du denn nicht, wie schießen geht?«
    »Eigentlich schon. Aber du musst doch auf etwas zielen?«
    »Zielen? Du fragst Sachen! Hat der Onkel nie was von gesagt … Aber sag mal – das Testament, könnte das nicht auch da drin sein?«
    Zlatan legt die Walther und die beiden Magazine in eine der jetzt leeren Schubladen und untersucht das Geheimfach. Da es nicht die volle Breite der Schreibplatte ausfüllt, müssten daneben noch zwei Hohlräume sein. Er tastet mit der Hand die Seitenwände des Faches ab und entdeckt an jeder Seite eine Lasche. Er probiert es mit der ersten – und zieht mit Mühe eine schmale Schublade auf, mit Mühe deshalb, weil sie bis obenhin mit Fotografien vollgestopft ist, genauer: Mit Bildkarten, zumeist schwarzweiß oder nachträglich koloriert.
    Er versucht es bei der zweiten verdeckten Schublade, aber auch hier findet er nur das gleiche Material.
    Ausnahmslos sind es Fotografien réservées aux adultes .
    U pps!«, rülpst der Bilch, wischt sich den Mund ab und spült mit einem kräftigen Schluck Champagner nach. Den Champagner und alles andere, was inzwischen den Kühlschrank füllt, hatten André und er zwei Nebenstraßen weiter bei dem koreanischen Lebensmittelhändler bekommen, der auch abends geöffnet hat. Danach hat der Bilch sich in der Küche an einem koreanisch-indischen Curry-Huhn zu schaffen gemacht – Dosen-Ravioli kommen bei ihm nicht auf den Tisch, das hat er gleich klargestellt –, und André hatte nichts dagegen, denn der Bilch kann kochen, sogar noch besser als die Elke.
    »Du siehst«, hebt der Bilch an und schiebt den leer gegessenen Teller zur Seite, »man darf nie aufgeben. Wer von uns beiden hätte heute Morgen gedacht, dass wir uns am Abend ein so feines Fresschen kochen werden? Na? Die Frage ist nur, wie geht es weiter?«
    André fragt, was er damit meint.
    »Wegen der Miete brauchen wir uns vorläufig keine Sorgen zu machen«, erklärt der Bilch. »Unser lieber, guter, netter Hausverwalter Kroppenschmitt

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