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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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auch diese Eintragung im Handelsregister, da muss nämlich drinstehen, wem die Gesellschaft gehört, und sie gehört wem?« Der Bilch hebt seine Stimme. »Sie gehört zu je fünfundzwanzig Komma eins Prozent einem Jovan Mesic und einem Eberhard Hornisser, zu zweiundvierzig Prozent einer Rheinischen Consult GmbH und zu knapp zehn Prozent einem gewissen Jörg Matthaus, und warum mir bei dieser Mitteilung alle Glocken läuten … ach! Das erklär ich dir ein anderes Mal.«
    »Von all dem hab ich gar nichts verstanden«, sagt André vorwurfsvoll. »Wer von denen hat jetzt die Panzer geliefert?«
    »Oh! Die Panzer, entschuldige!« Der Bilch ruft eine weitere Datei auf. »Einem Eintrag des Handelsregisters von Zagreb – das ist die Hauptstadt von Kroatien – aus dem Jahr 1997 ist zu entnehmen, dass eine Pula Recycling Corporation wegen Betriebsaufgabe stillgelegt wurde. Einziger Inhaber der Pula Recycling ist die Hephaistos AG Basel.« Beifall heischend blickt der Bilch zu André auf.
    »Was war 1997?«, fragt André.
    »Da war der Krieg rum«, antwortet der Bilch.
    E in ovaler Tisch, ausziehbar, Mahagoni. Darüber eine Hängelampe mit einem runden graugelben Stoffschirm. Mahagonibraun auch die schmalen, hohen Stühle, mit geflochtener Sitzfläche. Auf einen davon hat sich Berndorf setzen und dazu die Hände auf den Tisch legen dürfen. Ihm gegenüber hat ein schlanker, nicht mehr ganz junger dunkelhaariger Mann Platz genommen und sieht Berndorfs Brieftasche durch. Neben der Brieftasche liegen zwei Schlüsselbünde – Berndorfs eigener, und der mit den Schlüsseln für die Wohnung in der Mulackstraße. Auch liegt – in Griffweite – eine handliche kurzläufige Pistole, es ist tatsächlich eine Walther PPK, das Kürzel steht für Polizeipistole Kriminal, besser bekannt als Polizeipistole kurz, weil sie sich gut im Schulterhalfter tragen lässt, also zum Beispiel von Kriminalbeamten, denen man nicht gleich ansehen muss, dass sie mit einer Knarre unter die Leute gehen, der Kriminalbeamte Karlheinz Kurras hat mit einer solchen Waffe den Studenten Benno Ohnesorg erschossen, hinterrücks – aber das ist nichts, wofür Polizeibeamte in Deutschland eingesperrt würden …
    Berndorf versucht, in dem Mann, der ihm gegenübersitzt, den Lagerhäftling Zlatan Sirko aus Dretelj zu erkennen. Das Gesicht: nicht mehr eingefallen, aber noch immer schmal, fast kantig, ein dinarischer Typus, so hätte man früher gesagt. Der Haaransatz? Wohl etwas höher, das wäre aber kein Wunder nach 15 Jahren … Gut möglich, dass er es wirklich ist, denkt Berndorf.
    Berndorf blickt sich um. Das Zimmer liegt zum rückwärtigen Garten hinaus, aber Fenster und Terrassentür sind hinter einem wandhohen schweren Vorhang verborgen, der grau ist vom Alter oder vom Staub oder vielleicht auch aus schierer Vornehmheit. Sein Blick streift über einen Fernseher, späte Siebziger Jahre, ein Fernsehsessel mit Hocker, aus derselben Zeit, ein großes schweres Büfett, sonst Bilder an den Wänden, dicht an dicht gehängt, zumeist Landschaften, zumeist in viel zu schweren Rahmen. Mehr kann er nicht erkennen, außerhalb des Lichtkreises der Hängelampe liegt das Zimmer im Halbdunkel. An der schmaleren Seite des Tischovals sitzt die Frau mit den dicken Brillengläsern und starrt zu ihm her, noch immer tut sie das, es würde ihn nicht wundern, wenn sie plötzlich zu knurren begänne wie eine fettleibige Bulldogge.
    Der Mann ihm gegenüber hat den Zeitungsausschnitt mit Örtleins Foto aus dem Lager Dretelj gefunden und ihn auseinandergefaltet.
    »Wo haben Sie das her?«
    Erst jetzt hört Berndorf den südosteuropäischen Akzent in der Stimme. »Von Madame Tamara.« Das ist zu vertraulich, also korrigiert er sich: »Von Tamara Feinkind.«
    »Wann haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Als ich Ihnen die Schlüssel zurückbringen wollte.«
    »Die Schlüssel, ja«, echot der Mann und greift zu dem einen Schlüsselbund, wirft einen Blick darauf und steckt ihn ein. Dann schiebt er die anderen Schlüssel über den Tisch zu Berndorf. »Und wie sind Sie an die gekommen?«
    »Ein Mann ist totgefahren worden«, beginnt Berndorf und nimmt seine Schlüssel an sich. Ein erstes Friedensangebot, denkt er. »Er trug Ihre Jacke, die mit den weißen Besätzen. In der Jacke waren Ihre Schlüssel …« Er will hinzufügen, dass sein Gegenüber – dass also Zlatan Sirko das alles bereits wissen muss, aber durch die grauen Vorhänge dringt das schrille Kläffen des Köters von nebenan.
    »Und

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