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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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durch seinen Körper und er kippt langsam nach vorne, die Treppe abwärts, die Stablampe fällt aus seiner Hand, Berndorf wirft den Spaten weg und bückt sich nach der Lampe und richtet ihren Strahl auf die Körper, die auf der Treppe liegen, der Jüngere ist auf den Beinen des Älteren gelandet und rührt sich nicht mehr, der Lichtstrahl wandert hoch und erfasst einen halb aufgerichteten Kopf mit einem verzerrten Gesicht … Steile Stirn, weiße Strähne in der schwarzen Mähne, du Frankenstein, dich kenn ich doch? Der Lichtstrahl tastet den Oberkörper des Mannes ab und erfasst eine Hand – die linke? –, die ungeschickt auf den Stufen herumsucht, als wäre sie eine große behinderte Spinne. Plötzlich hat sie die Pistole gefunden, die dem Mann beim Sturz auf die Treppe aus der Hand gefallen war. Warum hat Berndorf den Spaten weggeworfen? Er greift in das Regal, erwischt eine Weinflasche und richtet den Lichtstrahl der Lampe dem Mann in die Augen, dass er sie geblendet zusammenkneift, dann beugt er sich vor und schlägt dem Mann die Weinflasche mit voller, wohlüberlegter Wucht gegen die Schläfe.
    Das gibt ein noch sehr viel hässlicheres Geräusch als der Schlag mit dem Spaten, die Flasche splittert, er wirft den Hals weg, warum ist seine rechte Hand so nass? Das ist der Wein, du Narr, aber wieso tropft die Hand dann noch, das heißt, die tropft gar nicht, die suppt. Er hält die Hand in den Lichtstrahl der Lampe, die Hand ist vom Glas zerschnitten, immerhin kann er die Finger bewegen.
    Also nimmt er die Stablampe in die rechte Hand, packt den jüngeren der beiden Männer am Kragen seiner Lederjacke und zieht ihn vollends die Treppe hinunter. Der Mann stöhnt, Blut läuft ihm aus Nase und Mundwinkel, das Goldkettchen um den Hals ist nach oben gerutscht, so dass man den Anhänger sieht: Es ist ein Kreuz.
    Berndorf tastet nach einem Handgelenk, er glaubt, einen Puls zu spüren. Nun gut, du hast diesen Christenjüngling nicht totgeschlagen, das ist für heute schon einmal eine gute Tat. Wenigstens eine. Er tastet den Oberkörper ab und zieht aus einem Schulterhalfter eine boshaft schimmernde kleine Pistole und steckt sie sich in den Hosenbund, dann legt er den ganzen Kerl in Seitenlage.
    Er wendet sich Frankenstein zu, dem Mann, der ihm schon im Dalmacija Grill aufgefallen war. Das ist wirklich ein langer Kerl, denkt er, wenn man so einen umgehauen hat, sieht er auf dem Boden noch größer aus, irgendwo hat er so etwas schon einmal gelesen. Der Kopf liegt zur Seite gewandt, Platzwunde an der Schläfe, um sie herum Schnittverletzungen, Blut sickert über das Gesicht in den Kragen, macht auf der Treppe eine Pfütze und tröpfelt von dort auf die nächste Stufe. Der Mann röchelt, die linke Hand bewegt sich, als versuchte sie noch immer, etwas zu greifen und zu grapschen, die Hand hat sich zu der Pistole getastet, aber bevor sie zugreifen kann, nimmt Berndorf das Ding auf, das Ding ist eine Beretta, und er steckt es zu der anderen Waffe in seinen Hosenbund; nun ist er bewaffnet wie ein Pirat der Karibik, aber er hat jetzt keine Zeit, sich dabei komisch vorzukommen.
    Seine rechte Hand beginnt wieder zu bluten, so hält er sie hoch und geht – die Stablampe in der linken – die Treppe hinauf, warum ist von dort oben eigentlich nichts mehr zu hören?
    Er ist fast oben, da öffnet sich über ihm die Tür, jemand schaltet das Treppenlicht an:
    »Luca? Mattia?«
    Die Stimme gehört einer Frau. Berndorf blickt auf. Es ist die Frau aus der U-Bahn, die an der Station Nordweststadt ausgestiegen ist, sie sehen sich an, er blickt in helle blaue Augen über hohen slawischen Wangenknochen, und außerdem blickt ihn das Mündungsloch einer Pistole an – die wievielte ist das jetzt an diesem Abend? Allmählich wird es lästig.
    Den einen Arm hat er schon oben, also lässt er die Stablampe fallen und hebt auch die linke Hand. Das hat den Vorteil, dass er damit das rechte Handgelenk packen und versuchen kann, die Blutzufuhr abzustoppen.
    Die Frau winkt ihm mit der Pistole: Er soll in den Flur kommen, heißt das. Dann wandert die Pistole wieder zu Zlatan Sirko und seiner Elfie, die beide mit dem Gesicht zur Wand stehen, und zwar so, dass sie sich mit den Händen an der Wand abstützen müssen. Berndorf tritt in den Flur, er sieht, dass die Frau sich Zlatans Walther in den Bund ihres Rockes gesteckt hat.
    »Ziehen Sie – ganz langsam und mit der einen Hand – die Pistolen aus dem Bund und lassen Sie sie fallen.«
    Berndorf gehorcht.

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