Schlangenküsse
lederartigen Oberteil bedeckt. Verbunden war es durch Riemen mit einem schmalen Lederslip, der unter dem durchsichtigen Stoff wie ein Schatten zu sehen war.
Ich konnte darüber nur den Kopf schütteln. Diese Frau schien ein Gespenst zu sein, das wirklich nicht nach Aibon gehörte.
Und trotzdem war sie die Chefin, denn auf ihrem Körper bewegte es sich. Sensible Menschen hätten sich jetzt abgewandt, ich jedoch hielt den Blick fest auf sie gerichtet, und so entgingen mir nicht die zahlreichen Schlangen, die so etwas wie eine zweite Kleidung über ihren Körper gelegt hatten.
Es war verrückt. Es war nicht mehr nachzuvollziehen. Aber Aibon war nicht unsere Welt. Dass dort andere Gesetze herrschten, wurde uns beiden wieder mal deutlich gezeigt.
Der Frau machte es Spaß, sich uns zu produzieren. Sie hob ihre Arme, ließ dabei dünne Schlangen wie lange Fäden durch die Lücken zwischen ihren Fingern rinnen, und strich dann mit gezielt lasziven Bewegungen durch das blondgraue Haar, wobei eine der Strähnen aus ihrem Gesicht verschwanden und wir sie deutlicher sehen konnten.
Ein Puppengesicht. Irgendwie künstlich. Nicht geschminkt, obwohl es so wirkte. Ihr Mund stand offen. Es sah aus, als wollte sie uns herbeirufen. Dann nahm sie sich wieder ihrer Schlangen an und spielte mit ihnen. Zwei der schmalen Körper klemmte sie zwischen ihre zusammengelegten Hände und führte die Köpfe hoch zu ihren Lippen. Dann küßte sie die Schlangen.
Ich schluckte. Hätte nur noch gefehlt, dass der Kopf der Tiere in ihrem Mund verschwunden wäre, aber so weit kam es nicht. Sie ließ die beiden Tiere los, die dann über ihre Schultern glitten und den Rücken hinab liefen.
»Jetzt sag mir nur, was das bedeuten soll, John«, flüsterte mein Freund.
»Sie will, dass wir kommen.«
»Tatsächlich?«
»Warum hätte sie sich uns sonst zeigen sollen?«
»Also ist die Wand ein Tor zum Paradies der Druiden.«
Ich nickte. »Und Tore sollte man durchschreiten.«
»Wer fängt an?«
»Ich!«
Kurz nach meiner Antwort setzte ich das gesprochene Wort in die Tat um! Okay, ich fühlte mich nicht eben wohl in meiner Haut. Wenn wir allerdings das Rätsel der Schlangensekte lösen wollten, dann nicht in dieser Welt, sondern direkt im Zentrum.
Ich hatte den Eindruck, dass sich die aschblonde Person zurückzog, je näher ich auf die Wand zuging. Zugleich streckte sie die Hände vor und winkte mir zu. Sie wollte mich locken, und das ließ ich gern mit mir geschehen.
Auf das Kreuz konnte ich mich in Aibon nicht verlassen. Seine Kräfte wurden zum größten Teil neutralisiert. Aber Suko’s Dämonenpeitsche konnte dort aufräumen, wenn es hart auf hart kam. Was uns begegnen würde, wussten wir ebenfalls nicht. Ich zumindest kam mir vor wie jemand, der als Expeditionsleiter in die Tiefen eines fremden Dschungels vorstieß, um dort unbekanntes Terrain zu erkunden.
Je näher ich der Wand kam, umso stärker wurde der Einfluss der anderen Seite spürbar. Auf meiner Haut war das Kribbeln zu spüren. Die feinen Härchen stellten sich aufrecht, und das Kribbeln erfasste meinen gesamten Körper.
Von der Wand ging so etwas wie ein Kraftfeld aus, in das ich hinein geraten war und das ich auch nicht mehr verlassen wollte. Um mich herum zirkulierte es. Die Macht der anderen Seite oder anderen Welt wurde immer stärker. Ich würde und wollte mich ihr nicht mehr entziehen. Für einen Moment huschte ein flüchtiger Gedanke durch meinen Kopf. Wenn jetzt einige Schlangen aus ihren Löchern erschienen, war ich so gut wie wehrlos.
Aber sie kamen nicht. Sie blieben zurück, und nur die Blonde war wichtig. Es konnte durchaus sein, dass sie sich weiter zurückgezogen hatte. Sie sah nun aus wie die Fee im Märchenwald, die irgendwo zwischen den Gewächsen stand.
Ich war nicht glücklich über die Tatsache, dass mein Wahrnehmungsvermögen eingeschränkt wurde. Auch das lag an der fremden Welt. Ich war nahe heran, und trotzdem so weit entfernt.
Nach dem nächsten Schritt erlebte ich eine neue Veränderung, denn plötzlich begann die Wand sich zu bewegen. Es war verrückt, aber sie zirkulierte in sich selbst, als wollte sie anfangen zu tanzen. Die Konturen lösten sich auf, kamen wieder zusammen, und meine Nase erreichte ein ungewöhnlicher Geruch, den ich allerdings von anderen Besuchen in dieser Welt kannte.
Es roch nach Wald!
Das jedenfalls nahm ich an. So beschrieb ich den Geruch. Frisches Laub roch so und ebenfalls das Grün irgendwelcher Nadelbäume. Es war fast
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