Schlangenküsse
angeschnallt worden war. Es war ein Meisterwerk der Magie. Durch das Rad der Zeit konnte ich in die Vergangenheit sehen und ebenfalls in die Zukunft. Aber ich wollte es nicht. Schon gar nicht in die Zukunft, denn da hatte ich meine bösen Erfahrungen machen müssen. Da war mir der Tod meiner Eltern gezeigt worden, und ich hatte den beiden nicht helfen können.
All diese Erinnerungen stürmten immer auf mich ein, wenn ich den Weg in dieses Druiden-Paradies gefunden hatte. Dagegen konnte ich nichts tun, auch wenn es nur Sekunden dauerte und die Gedanken wie schnelle Bilder durch meinen Kopf huschten.
Möglicherweise hatte ich diesmal etwas länger gebraucht, denn ich sah Suko nicht mehr. Zweimal drehte ich den Kopf. Der Wald schwieg. Einige Blätter berührten meinen Nacken, und mich überkam alles andere als ein gutes Gefühl.
Ich rief mit halblauter Stimme seinen Namen. Im Erdboden konnte er nicht verschwunden sein. Und einfach aus dem Staub gemacht hatte er sich auch nicht.
Als ich seinen Namen erneut rief, diesmal kräftiger, gab er mir Antwort.
»Ja, ich bin noch da, John.«
»Und wo?«
»Geh einfach nach links. Aber bitte nicht zu laut. Es könnte sein, dass du jemand störst.«
Das sollte begreifen, wer wollte, ich hatte dabei meine Probleme. Aber ich tat Suko den Gefallen und versuchte, mich so leise wie möglich zu bewegen.
Es gab keine Wege. Ich musste mir die Stellen aussuchen, die mir den besten Durchschlupf gewährleisteten. Licht und Schatten wechselten sich immer wieder ab. Beides zeigte nicht unbedingt scharfe Kontraste. Hin und wieder flossen sie zusammen, so dass der Boden manchmal wirkte wie ein Gewässer.
Das dichte Buschwerk wuchs über meinen Kopf hinweg. Nach wie vor war der Boden weich wie ein Teppich. Nicht nur durch das Moos gebildet, sondern auch durch eine Schicht aus feuchtem Laub, das zusammenklebte.
Ich sah Suko’s Gestalt schon zwergenhaft, denn er stand in der Nähe eines Baumes, der seine Krone wie ein Schirm unter dem Himmel ausbreitete.
Er hatte mich schon gehört, den Kopf gedreht, und sein Gesicht sah aus wie ein heller Fleck, der den Schatten nahe des Baumes verlassen hatte.
Er legte einen Finger auf die Lippen. Ich bemühte mich, noch leiser zu sein.
In seiner Nähe blieb ich stehen und hörte ihn atmen. Dann sprach er im Flüsterton zu mir.
»Ich habe sie gehört, John. Sie sind in der Nähe...«
»Wer?«
»Die Trooping Fairies ...«
Für einen Moment war ich erstaunt, musste aber lächeln, denn ich mochte die Wesen, die auf ihren weißen, kleinen Pferden ritten und deshalb gut zu hören waren, weil um ihre Hälse Ketten aus gläsernen Glocken hingen, die bei jeder Bewegung ein leises Klingeln abgaben.
Ich konzentrierte mich. In den nächsten Sekunden passierte leider nichts. Suko musste dies schon erlebt haben. Er hatte noch den rechten Arm halb erhoben, um mich darauf hinzuweisen, dass es bald wieder passieren konnte.
Er behielt Recht!
Jetzt hörte auch ich das leise Glockengeläut, das einem Menschen einfach gefallen musste. Obwohl die Klöppel in den gläsernen Glocken unregelmäßig gegen die Innenwände schlugen, hörte sich dieses Klingeln an wie eine wunderbare Musik, die durch die Stille des Waldes schwebte.
Es war einfach herrlich. So etwas konnte mich die Gefahr, die es hier auch gab, denn die Schlangen waren bestimmt nicht verschwunden, vergessen lassen.
Wir lauschten beide den Klängen. Es war schwer für uns, herauszufinden, ob sich die wundersame Reiterin mit ihrer durchscheinenden hellen Haut uns näherte, aber wir zuckten beide zusammen, als ich der Klang plötzlich veränderte.
Das Melodiöse war verschwunden. Plötzlich klangen die Schläge der Klöppel hart. Beinahe schon aggressiv. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die gläsernen Glocken zerbrochen wären.
Schrill. Auch ein leiser Schrei wehte über die Büsche hinweg. Suko’s rechter Arm schnellte nach vorn.
»Das muss von dort gekommen sein!«
Ob er Recht hatte, würde sich herausstellen. Auch ich war stark beunruhigt. So friedlich diese Welt auch schien, sie konnte sich von einem Augenblick zum anderen in eine Hölle verwandeln, denn Guywano streckte seine Fühler immer wieder aus und versuchte es auch mit neuen Tricks.
Es half nichts. Bisher hatte diese Festung Aibon noch gehalten, und wir hofften, dass dies auch so bleiben würde.
Das Klingeln war zu einem für uns schrecklichen Geräusch geworden, als wollte es uns das Gefühl einer starken Angst vermitteln. Wir
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