Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
Vom Netzwerk:
gehasst. Sie war diejenige, die immer alle aufgemischt hat.«
    »Wie denn?«
    »Ach, nur so«, sagte er, bevor er sich wieder in Schweigen zurückzog.
    Ich wechselte das Thema und fragte ihn, was er damit gemeint hatte, als er in einem seiner Briefe schrieb, Bridget habe ihr Haar bei mir in den Briefkasten gesteckt, um ein »Opfer« zu bringen. »Wozu sollte das Opfer denn gut sein?«, fragte ich.
    Über Bridget zu sprechen fiel ihm leichter. »Ach, das sollte Sie für die ganzen schlimmen Sachen entschädigen, die man mit Ihnen damals angestellt hat«, erklärte er. »Sie hatten einmal zu ihr gesagt, Sie wünschten, Sie hätten Haare wie sie, und da hat sie gedacht, wenn sie Ihnen die Haare schenkt, dann hört der ganze böse Zauber auf.« Er lächelte über meine Miene. »Ja, okay, es war schon ein bisschen irre, aber sie hatte immer so verrückte Ideen. Einmal hat sie ihrer Mutter eine Riesenladung rohe Zwiebeln ins Zimmer gestellt, weil sie irgendwo gelesen hatte, dass Zwiebeln Krankheiten absorbieren, aber es hat so gestunken, dass Vivienne überhaupt nicht schlafen konnte.«
    »Soweit ich weiß, soll das bei Erkältungen wirken«, sagte ich zerstreut, während ich über seine Erklärung zu dem »Opfer« nachdachte. »Wieso glaubte Bridget denn, dass mir schlimme Dinge geschähen?«
    »Sie haben die ganze Zeit so verschreckt ausgeschaut«, erklärte er sachlich. »Als wär irgendwas in Ihrem Leben total beschissen.«
    »Wussten Sie auch, was es war?«
    Ein Schatten verdunkelte flüchtig sein Gesicht. »Wir dachten, dass sie mit Ihnen das Gleiche machten, was sie mit Annie gemacht hatten.«
    »Wer?«
    »Die Slaters. Ich hab mal gesehen, wie Alans Vater sie vom Bürgersteig schubsen wollte – und seine Mutter hat Sie immer beschimpft und gesagt, Sie würden den Niggern in den Hintern kriechen, und in Amerika wären Sie längst gelyncht worden, so wie Sie reden.«
    »Und
Ihre
Mutter? War sie der gleichen Meinung wie Maureen?«
    Wieder wendete er sich ab, als würde er über seine Mutter am liebsten überhaupt nicht sprechen. »Ich weiß es nicht«, sagte er kurz. »Wir haben nie drüber geredet.«
    »Haben Sie über Annies Tod geredet?«
    »Nein.« Noch kürzer.
    »Warum nicht?«
    »Was gab's da groß zu reden? Mensch, wir waren froh, dass sie weg war. Für meine Mutter hieß das, dass sie mehr Kunden annehmen konnte, ohne ständig durch die Wand beschimpft zu werden. Und das war das Einzige, was sie interessierte«, schloss er mit bitterer Verachtung, »diesen Blödmännern das Geld aus der Tasche zu ziehen.«
    »Es war ein Teufelskreis«, erklärte ich ihm. »Je aggressiver Sie oder die Slaters gegen Annie wurden, desto schlimmer wurde es auch mit ihr. Sie wäre vielleicht fähig gewesen, sich in ihrer Sprache zu beherrschen, wenn Sie sie in Frieden gelassen hätten, aber als Sie dann auch noch in ihre Privatsphäre eindrangen und ihr Angst machten, war es natürlich völlig vorbei.«
    Er zuckte die Achseln. »Meine Mutter hat immer gesagt, sie gehört in eine Klapsmühle.«
    »Ja, damit sie selbst sich überlegen fühlen konnte«, murmelte ich. »Es machte sie wütend, als ‘Hure’ bezeichnet zu werden – weil sie genau das war. Es machte die Slaters wütend, als ‘weißes Pack’ bezeichnet zu werden – weil sie genau das waren.«
    Er pfiff überrascht durch die Zähne, als wäre das freundliche Bild, das er bisher von mir gehabt hatte, plötzlich zerstört worden. »Das ist aber ein bisschen hart.«
    »Meinen Sie?«, fragte ich ruhig. »Ich fand Annie immer unglaublich großmütig. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen, ich hätte bestimmt viel härtere Worte gewählt, um Lumpengesindel zu beschreiben, das sich einen Spaß daraus macht, Katzen zu foltern.«
    Er zuckte zusammen.
    »Haben Sie und Alan es getan?«, fragte ich. »So etwas Brutales würde ich Ihnen ohne weiteres zutrauen – erst einem kleineren und schwächeren Wesen Schmerz zufügen und dann die traurigen Überreste Annie vor die Tür legen, um zu sehen, wie sie reagiert. Was hat Sie auf die Idee gebracht, Derek, als er die rote Katze umbrachte? Oder hat Maureen da gelogen, um Alan zu decken?«
    »Gott verdamm mich!«, rief er zornig auffahrend. »Und da fragen Sie noch, warum ich dieses Miststück hasse? So was von krank! Alan hat immer gesagt, sie hätte einen Hirnschaden, weil sein Vater sie dusslig geschlagen hat, aber ich glaube, es war genau umgekehrt. Die Frau war von Anfang an krank, und deswegen ist der arme Hund auf sie losgegangen.«

Weitere Kostenlose Bücher