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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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so ein Renovierungsprojekt gäbe ihm etwas zu tun. Ihr könnt ja hinterher immer noch verkaufen, wenn er wirklich woanders eine Arbeit finden sollte.
    Zu unserem gestrigen Gespräch: Ich habe inzwischen mit dem Tierschutzbeauftragten hier am Ort gesprochen, und er sagte mir, dass Geschichten wie deine nichts Ungewöhnliches sind und Katzen viel häufiger gequält werden, als man glaubt. Er hat mir einige furchtbare Beispiele genannt – Katzen, die in Säcke eingebunden und als Fußbälle benutzt werden, ausgerissene Krallen, Tiere, die mit Benzin übergossen und angezündet werden. Sehr beliebt ist es anscheinend, sie als Zielscheiben beim Luftgewehr- und Bogenschießen zu benutzen.
    Er hat mir den Namen eines Anwalts hier in der Gegend genannt, dessen Frau ein Heim für misshandelte Tiere betreibt, und schlug vor, wir sollten wegen einer möglichen Strafverfolgung einmal mit ihm sprechen. Ich sagte, dass du meiner Ansicht nach eine Ahnung hast, wer damals die Täter waren, und er meinte, es wäre einen Versuch wert, zumal der damals zuständige Tierschutzbeauftragte noch am Leben ist und als Zeuge aussagen kann. Er meinte allerdings auch, dass die Aussichten auf Erfolg nach zwanzig Jahren nicht rosig seien.
    Schreib mir, was ich unternehmen soll.
    Alles Liebe,
Mama

    P. S. Sie liegt natürlich falsch, aber sie bemüht sich, und das solltest du ihr zugute halten. Sie ist im Moment sehr niedergeschlagen, weil sie das Gefühl hat, wir hätten uns gegen sie verschworen, und nicht versteht, warum. Ich sagte ihr, sie brauche sich nicht zu wundern – wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück –, aber sie will nicht daran erinnert werden, wie sie sich damals dir gegenüber benommen hat. Es wäre gemein, ihr jetzt vorzuhalten, dass sie sich die Suppe selbst eingebrockt hat, auch wenn die Versuchung dazu sicher groß ist. Ich wäre enttäuscht von dir, wenn du es tätest.
    Dad

11
    Auf der Halbinsel Portland wehte ein stürmischer Südwester, als Sam und ich am folgenden Mittwoch die schmale Straße hinauffuhren, um den Skulpturenpark zu besuchen. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre ich lieber allein gefahren. Zu vieles verlangte noch nach einer Erklärung – mein gar nicht flüchtiges Interesse an Danny zum Beispiel –, aber ich wollte Sam nicht sagen, dass seine Anwesenheit das Problem nur schwieriger machen würde, da er doch, genau wie meine Mutter, gerade bemüht war, vergangene Gleichgültigkeit durch verspätete Anteilnahme wieder gutzumachen.
    Ich hatte am Tag zuvor einen halbherzigen Versuch unternommen, über die drei Wochen Ende Januar und Anfang Februar 1979 zu sprechen, während deren ich allein in der Graham Road lebte, aber es war mir zur zweiten Natur geworden, die Dinge mit mir selbst abzumachen, und so gab ich schon nach wenigen Minuten auf. Ich stellte fest, dass ich nicht über meine Angst sprechen konnte, ohne verletzend zu werden, und dass ich damit Sam treffen wollte, weil er mich zu einem Zeitpunkt im Stich gelassen hatte, als ich ihn dringend brauchte. Am Ende zog ich mich, wie so oft in meinem Leben, auf die fatalistische Einstellung zurück, dass die Dinge so oder so ihren Lauf nehmen würden. Sam war ein erwachsener Mann. Wenn er es nicht schaffte, mit der Wahrheit zu leben, ganz gleich, wie sie ihm enthüllt wurde, dann würde auch ich daran nichts ändern können, was immer ich sagte oder täte.
    Die Halbinsel Portland, eine schräg gekippte Kalksteinplatte von sechseinhalb Kilometern Länge und anderthalb Kilometern Breite, bildet einen natürlichen Wellenbrecher zwischen der Lyme-Bucht im Westen und den geschützten Gewässern zwischen Weymouth und der Insel Purbeck im Osten. Die steilen Klippen erheben sich bis zu einer Höhe von nahezu 150 Metern aus dem Wasser, und nur die robustesten Pflanzen gedeihen dort unter dem Einfluss der unberechenbaren englischen Witterungsverhältnisse. Was für ein unwirtlicher Ort, dachte ich, während wir auf einer schmalen Straße aufwärts fuhren, kaum verwunderlich, dass aufeinander folgende Regierungen ihn zum Bollwerk gegen die Invasion fremder Mächte und zur Gefangenenkolonie erkoren hatten.
    Im Jahr 1847 hatte die Admiralität von Sträflingen, die auf den Abtransport nach Australien warteten, auf der Ostseite der Halbinsel einen gewaltigen Hafen bauen lassen, der militärisches Sperrgebiet geblieben war, bis die Regierung ihn Anfang der Neunzigerjahre freigegeben hatte. In Erinnerung an die Sträflinge, die ihn im Schweiße ihres

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