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Schlangenlinien

Titel: Schlangenlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Angesichts erbaut hatten, schien es irgendwie passend, dass im Hafenbecken von Portland ein riesiges graues Gefängnisschiff lag, das etwa vier Jahre zuvor aus den USA importiert worden war, da man sonst der chronischen Überfüllung in den Strafanstalten auf dem Festland nicht mehr Herr geworden wäre.
    »Sitzt Michael Percy da auf dem Schiff ein?«, fragte Sam.
    »Nein. Er ist in dem Zuchthaus hier auf der Insel. Es heißt
The Verne
– irgendwo links von uns.« Ich wies auf einen weitläufigen viktorianischen Bau vor uns, der den Horizont verdeckte. »Das ist die Jugendstrafanstalt. Sie wurde ursprünglich für die Sträflinge gebaut, die hier im Hafen gearbeitet haben.«
    »Du meine Güte! Wie viele Gefängnisse gibt es denn hier?«
    »Drei mit dem Schiff.« Ich lachte über sein verblüfftes Gesicht. »Ich glaube nicht, dass das bedeutet, dass Dorset eine Brutstätte für Verbrecher ist«, sagte ich. »Es beweist nur, dass einsame Felsbrocken im Meer sich gut als Depot für Leute eignen, mit denen die Gesellschaft möglichst nichts zu tun haben will. Denk an Alcatraz.«
    »Was hat Michael überhaupt angestellt?«
    Ich dachte zurück an die Zeitungsausschnitte mit den Berichten über seinen Prozess, die gegen Ende 1993 bei mir eingetroffen waren. »Er ist in Lederkluft und Sturzhelm in das Dorfpostamt marschiert und hat einem alten Mann so lange seine Pistole um die Ohren geschlagen, bis der Postbeamte bereit war, die gesicherte Tür zu seinem Büro aufzumachen und ihm alles Geld zu übergeben, das er in der Kasse hatte.«
    Sam pfiff durch die Zähne. »Ein ziemlich übler Bursche also.«
    »Das kommt auf den Standpunkt an. Wendy Stanhope würde sagen, es sei die Schuld seiner Mutter, die sich nie um ihn gekümmert hat. Sie hieß Sharon Percy – die Blondine, die du hin und wieder im Pub gesehen hast.«
    Er verzog das Gesicht. »Diese Nutte? Die kreuzte ständig da auf und suchte Kundschaft. Einmal hat sie versucht, Jock und mich abzuschleppen, aber da habe ich ihr gründlich den Marsch geblasen. Jock war hinterher stocksauer auf mich. Er sagte, Libby ließe ihn nicht ran, und er wäre sofort dabei gewesen, wenn ich ihm nicht in die Parade gefahren wäre.«
    »Hm. Wenn du mich fragst, hat er geblufft, weil er Angst hatte, du könntest misstrauisch werden, dass sie es überhaupt gewagt hatte, sich an euch ranzumachen. Von Libby weiß ich nämlich, dass er 1978 fast das ganze Jahre hindurch wöchentlich dreißig Pfund an Sharon gezahlt hat. Sie haben sich auch gar keine große Mühe gemacht, die Geschichte geheim zu halten, außer vor den Leuten, die ihm wichtig waren – wie du und ich und seine Frau.« Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. »Paul und Julia Charles sind hinter die Sache gekommen, weil Paul Jock eines Abends aus Sharons Haus kommen sah und sich natürlich sofort seinen Reim darauf gemacht hat.«
    Er warf mir einen ungläubigen Blick zu. »Du machst Witze!«
    »Nein. Für normalen Sex hat sie zwanzig verlangt und dreißig fürs Blasen. Jock hat sie monatelang jeden Dienstag besucht.« Ich verzog amüsiert das Gesicht. »Was er für sein Geld bekommen hat, kannst du dir selbst ausrechnen.«
    »Scheiße!« Das klang so entsetzt, dass ich mich fragte, ob er sich erinnert hatte, dass Annie an einem Dienstag umgekommen war, und jetzt überlegte, wie genau das Alibi ausgesehen hatte, das er Jock gegeben hatte. »Wer hat dir das erzählt?«
    »Libby.«
    »Wann?«
    »Ungefähr ein Jahr, nachdem wir weggegangen waren. Es kam alles bei Gericht raus, als es Jock plötzlich einfiel, die Scheidungsvereinbarung anzufechten. Libby nahm sich damals einen Anwalt, der mit allen Wassern gewaschen war, und der verlangte prompt eine Erklärung für die wöchentlichen Abhebungen von dreißig Pfund vom gemeinsamen Konto jeden Dienstag, sowie eine Erklärung für die zahlreichen anderen Konten, die Jock ohne Libbys Wissen eingerichtet hatte. Er hat sich nicht sehr geschickt darin gezeigt, seine Machenschaften zu vertuschen, und der Richter hat ihn dafür bluten lassen.« Ich wies auf einen Wegweiser zum Steinbruch Tout Quarry. »Ich glaube, da müssen wir abbiegen.«
    Er setzte den Blinker. »Und wo haben sie sich immer getroffen?«
    »Bei ihr zu Hause. Sharon hat ihre Freier immer hinten durch die Gasse geschleust, um ihren Ruf zu schützen – als hätte es da noch etwas zu schützen gegeben.«
    »Und der Junge?«
    »Michael? Ich glaube nicht, dass der sehr viel zu Hause war. Wendy hat mir erzählt, dass er dauernd

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