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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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Glück, seine Knochen, Gelenke und Muskeln fühlten sich ausgelastet und gleichzeitig gelöst an. So wie das halt war nach einer Nacht voller Sex und Tollerei.
    «Guten Morgen, guten Morgen», antwortete Paul und schien ebenfalls einige Glückshormone abbekommen zu haben. Er sah eigentlich gar nicht aus wie Paul, er sah aus wie ein Klon-Paul, der vor kurzem irgendeine Wohnzimmer-Erfindung für eine opulente Milliardensumme an Apple und Microsoft verkauft hatte, und zwar zu gleichen Teilen.
    «Was für ein schöner Tag», sagte Kuli.
    «Wunderbar», antwortete Paul.
    «Ich hab so richtig gute Laune», sagte Kuli.
    «Ich auch», antwortete Paul und rekelte sich.
    «Du?», fragte Kuli irritiert.
    «Ja», sagte Paul entspannt. «Wo hast du denn überhaupt gepennt?»
    Kuli grinste. «Bei Bettina», sagte er dann und grinste noch breiter.
    «Nee!», sagte Paul und grinste zurück.
    «Und du?», fragte Kuli.
    «Bei Sophie.» Paul betonte den Namen wie das wohlklingendste Wort der Welt.
    «Schön», befand Kuli und nickte anerkennend.
    «Genau», bestätigte Paul.
    «Ich war in den Bernstein-Stuben», sagte Kuli. «Gestern Abend.»
    «Ach, echt?»
    «Ja, klar. Mal was unternehmen. Vorwärtskommen. Aber die war das nicht, die Kati. Da bin ich mir sicher!»
    «Die Kati, soso. Du bist ja ein richtiger Weiberheld», freute sich Paul. Er drehte sich um und blickte auf das Haus, das nichts war als ein alter, grauer Steinklotz.
    «Komm, den hier erledigen wir auch noch, und dann widmen wir uns wieder Henning Bürger», frohlockte er und suchte das Klingelschild nach dem richtigen Namen ab.
    «Wie machen wir das denn eigentlich?», fragte Kuli.
    «Die guten Pläne entstehen immer im Moment», grinste Paul und schritt zum Hauseingang. «Weißt du doch.»

    « S ie haben sich also auseinander gelebt», sagte Hagen Junghans und legte die Zeigefinger beider Hände an den Mund. Kuli und Paul saßen in ziemlich engen, dafür hochlehnigen, also unbequemen Stühlen nebeneinander und machten ein betretenes Gesicht. Ihr Therapeut hatte es sich ihnen gegenüber in einem Ohrensessel bequem gemacht; ein kleiner Tisch mit drei Gläsern, einer Wasserflasche und einer Packung Einwegtaschentücher stand zwischen ihnen. Der Raum war fliederfarben gestrichen: Ein optimistisches und lebensbejahendes Bild, das eindeutig nicht von Stefanie Baldrup aus der Kundenbetreuung gemalt worden war, dominierte die Wand zu ihrer Rechten. Ein lachendes Kind turnte darauf vor einer brüchigen und besprayten Stahlbetonmauer, die vielleicht sogar einmal die Berliner Mauer gewesen war, aber wahrscheinlich symbolisch für festgefahrene und verhärtete Beziehungen stand. Wenn Kuli an Hagen Junghans’ linkem Ohr vorbeischaute, fiel sein Blick genau in ein Fenster des gegenüberliegenden Hauses, in dem der oder die Bewohner anstelle eines Vorhangs eine schwarze Fahne mit dem Bandlogo von Siouxie and the Banshees als Sichtschutz aufgehängt hatten. Dass es das heute noch gab. Dass die überhaupt noch jemand kannte. Kuli fand das toll. Er stellte sich vor, wie die gruftigen Wohnungsinhaber sich eines Tages mit ihren schwarzen Fingernägeln in ihren schwarzen Klamotten aus ihren schwarzen Särgen schälen würden, um auf der Blutspendebank voller Entsetzen festzustellen, dass es nicht mehr 1981 war. Außer in Leipzig während des Wave-Gotik-Treffens, aber da musste man ja erst mal hinkommen.
    «Wir haben uns auseinander gelebt», sagte Paul betrübt. «Genau.»
    «Ehrlich gesagt bin ich etwas erstaunt», erwiderte Hagen Junghans. «Frau Müller hatte nicht gesagt, dass es um zwei Männer geht.»
    «Ist das ein Problem?», fragte Kuli.
    «Natürlich nicht», lächelte der Psychotherapeut professionell, griff nach einem Bonbon in seiner Hosentasche und wickelte es geräuschvoll aus dem Zellophanpapier. Er sah aus wie ein britischer Landlord während der Teestunde; er war sehr gepflegt, konservativ, aber teuer in einen braunen Fred-Perry-Pullunder gekleidet, dazu mit einem akkurat nach rechts gelegten Seitenscheitel ausgestattet und einem Vollbart, dessen Pflege allein sicherlich Personal erforderte.
    «Sie wissen ja, dass das erst einmal ein Kennenlerngespräch ist zwischen uns», sagte er sanft und bewegte das Bonbon in seiner Backentasche.
    «Vielen Dank, dass Sie uns sofort reingenommen haben. Da gibt’s ja sicher auch immer Warteschlange und so.» Kuli schaute pflichtgemäß betreten zu Boden.
    Hagen Junghans stutzte. «Warteschlange?»
    «Liste. Warteliste», half Paul

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