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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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beschimpften sich nun mit der gleichen Energie, mit der sie bis dahin telefoniert hatten. Wahrscheinlich fanden sie einander zu laut.
    «Wie viel Geld haben Sie denn?», fragte Paul.
    «Zweihunderttausend», sagte Bürger. «Zweihunderttausend kann ich klarmachen. Dafür bekomme ich absolute Ruhe. Nach der Wahl kriegen Sie nochmals einhunderttausend. Dann ist Ende.»
    «Einverstanden», bestätigte Paul und sammelte sich. «Die erste Übergabe ist morgen früh um 10 Uhr, die zweite drei Tage nach der Wahl. Und zwar am Bahnhof Zoo. Sie stecken das Geld in ein Schließfach und geben den Schlüssel einfach dem Verkäufer des großen Zeitschriftenladens. Zur Aufbewahrung. Dort wird er dann von uns abgeholt. Aber keine Tricks, klar? Und pfeifen Sie jetzt endlich mal Ihre Leute zurück! Nicht, dass da noch was passiert. Und damit das klar ist: In dem Moment, wo der eine von uns geschnappt wird, ist der andere schon bei der Presse und der Polizei. Und wir sind auch noch viel mehr als nur wir zwei. Die Sache geht auf jeden Fall schief, kapiert?»
    «Kapiert», sagte Henning Bürger geschlagen. «Aber ich habe niemanden auf Sie angesetzt.»
    «Schon klar», sagte Paul.
    «Und ich kann das Geld nicht selbst dort deponieren. Das würde zu viel Aufsehen erregen.»
    «Dann schicken Sie einen Mann Ihres Vertrauens. Ihre Sache.» Paul konnte sich nicht helfen: Henning Bürger tat ihm irgendwie leid. Schon wieder. Das durfte doch nicht wahr sein, schalt er sich, nach all dem Ärger, nach dem ganzen Weg, den sie gemeinsam gegangen waren, nach all der Aufregung tat ihm sein ärgster Widersacher, das Objekt ihres kriminologischen Ehrgeizes, plötzlich leid? Was war denn nur los mit ihm? Wenn das so weiterging, lud er demnächst noch Herrn Kletzke ins Kino ein.
    «Herr Bürger?», sagte er vorsichtig.
    «Was?»
    «Passen Sie auf Ihre Frau auf», schloss Paul und legte auf.

    « W as hattest du überhaupt da zu suchen?», fauchte Henning Bürger durchs Telefon. «Macht denn hier eigentlich jeder, was er will?»
    Seine Frau drehte sich auf die andere Seite und hielt den Hörer ein paar Zentimeter weit weg. «Wovon sprichst du?», fragte sie. «Und wo bist du überhaupt?»
    «Im Wahlkampfbüro natürlich, wo denn sonst? Und ich rede von diesem Döner-Scheiß, Herrgott noch mal!»
    Susanne Bürger richtete sich auf. «Woher weißt du …»
    «Ich hab da Jungs vor der Tür postiert, was glaubst du denn?», unterbrach er. «Denkst du, denen entgeht, wenn du da reinmarschierst?»
    «Nicht so laut», beschwichtigte Susanne. «Ich denke, du bist im Wahlbüro.»
    «Hier ist so viel los, dass mich keiner hört. Wo steckst du überhaupt?»
    «Zu Hause. Im Bett. Hab Migräne.» Sie legte sich wieder auf den Rücken und fasste sich wie zur Kontrolle an die Stirn.
    «Und die Kinder spielen gerade alleine, oder was?»
    «Leider nicht», sagte sie kalt. «Dank deiner herausragenden Stellung werden sie ja rund um die Uhr bewacht, wie du weißt. Außerdem ist Hilla bei ihnen.»
    «Also, was wolltest du da?», fragte er nach einer kurzen Pause.
    «Ich habe versucht, in deinem Sinne zu handeln.» Sie betrachtete den Stuck an der Decke, der sich unangenehm trüb gegen das vorherrschende Weiß des Raumes abhob. Hier musste mal wieder gestrichen werden.
    «Ich wüsste nicht, dass ich dich darum gebeten hätte», sagte er.
    Sie stöhnte genervt auf. «Stell dir vor, ich tue auch Dinge, um die du mich nicht gebeten hast.»
    «Was sind denn das überhaupt für Typen?» Henning Bürger versuchte hörbar, einen Gang herunterzuschalten.
    Susanne strich mit der Hand über die Bettdecke. «Harmlose Amateure», sagte sie und überlegte, ob sie vielleicht besser aufstehen und nach nebenan gehen sollte. Nein, sie würde einfach so liegen bleiben. «Als ich bei ihnen war, wühlten sie gerade in Schallplatten.»
    «Ich lasse mir von solchen Leuten meine Karriere nicht ruinieren. Mein Leben …», proklamierte er in einem Ton, als würde er gerade eine Rede halten.
    «Dann zahlst du also?»
    «Ja», sagte er. «Ich habe schon mit Björn telefoniert. Er macht Geld flüssig. Zweihunderttausend jetzt und einhunderttausend später.»
    «Ich denke, die wollen fünfhunderttausend?»
    «Hab sie runtergehandelt.»
    «Gut», sagte sie und hätte jetzt am liebsten aufgelegt. Stattdessen konnte sie sich nicht dagegen wehren: Ein Gefühlsschwall überkam sie. Sie sah leicht vergilbte Bilder vor sich, von ihren Anfängen, am Nordseestrand, auf Friedensdemos, bei der Geburt von Jakob,

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