Schlecht aufgelegt (German Edition)
anders war es links von ihnen, gegenüber dem Tresen. Fünf geschlossene, aber keineswegs schallisolierte Telefonkabinen befanden sich da, dicht an dicht und so eng, dass selbst ein Mann allein sich darin nicht umdrehen konnte. Geschweige denn zwei. Drei der fünf Kabinen waren belegt und größtenteils von Geschrei erfüllt. Ein Afrikaner und ein Bajuware brüllten in ihre jeweiligen Hörer, eventuell weil die Verbindung in die Heimat so schlecht war oder weil sie sich gegenseitig hochgeschaukelt hatten oder weil es vielleicht einfach ihr überschäumendes Temperament war, dass sie dazu antrieb. Kuli besah sich die dritte, belegte Kabine, in der eine beleibte, ältere Dame auf einem Hocker kauerte und überhaupt nichts sagte, sondern immerzu nickte, während ihr Gesprächspartner auf der anderen Seite des Hörers entweder eine Rede hielt oder aus einem Roman vorlas oder längst aufgelegt hatte.
«Wir wollen mal telefonieren», sagte Paul zu der Frau an der Kasse und zeigte mit dem Daumen über seine Schulter auf die Kabinen.
«Nummer vier», antwortete sie, ohne aufzusehen, und drückte eine Taste auf ihrem Computer. Wahrscheinlich hatte sie Nummer vier gerade freigegeben. Kuli und Paul drängten sich in die Kabine. Sie waren sich jetzt so nah – sie hätten bei Hagen Junghans jeden Test bestanden.
Kuli zog seinen Zettel mit der Telefonnummer aus der Geldbörse und gab ihn Paul. «Du könntest das ruhig auch mal machen», beschwerte sich Paul, nahm aber brav den Hörer und wählte die Nummer an.
«Du bist hier der Intellektuelle von uns», sagte Kuli und vermeinte, Sophies Parfüm an Paul zu riechen.
«Das wüsste ich aber», knurrte Paul und ließ es klingeln.
«Ja? Wer ist denn da?», erklang Henning Bürgers Stimme durch den Hörer. Er schien angespannt. Gut so, dachte Paul.
«Wir sind’s», sagte er nur.
«Sie», sagte Henning Bürger.
«Wissen Sie eigentlich, dass Sie eine sehr attraktive Frau haben?», fragte Paul.
«Was hat denn meine Frau jetzt mit der ganzen Sache zu tun?», wollte der Politiker wissen.
«Nichts weiter. Sie scheint aber nicht ganz so gut auf Sie zu sprechen zu sein. Da würde ich mal nachhaken an Ihrer Stelle.» Paul musste seine Stimme etwas erheben, weil der Afrikaner nebenan nun lautstark lachend in die Hände klatschte, während der Bayer einen unverständlichen Fluch in seinen Hörer brüllte.
«Wo sind Sie denn da?», fragte Henning Bürger. «Auf einem Basar?»
«Richtig. Wir sind ausgewandert», antwortete Paul. «Zumindest für Sie und Ihre Leute.»
«Welche Leute?»
«Ihre Boxer! Diese Bodybuilder! Die versucht haben, mir den Schädel einzuschlagen!», explodierte Kuli neben Paul so unvermittelt, dass Paul mit dem Rücken an der Plexiglas-Scheibe klebte. Da sich dort bereits Kondenswasser gebildet hatte, war das nicht der schönste aller Augenblicke.
«Aha, der andere der beiden Erpresser», höhnte Henning Bürger. «Wer von Ihnen beiden ist denn der mit der Döner-Bude unterm Hintern?»
«Nichts gegen …», wollte Kuli sich verteidigen, aber Paul schnitt ihm das Wort ab.
«Wir wollen das Geld. Jetzt. Wir wissen, dass Sie an uns dran sind, aber noch haben wir die Trümpfe in der Hand.»
«Sie haben gar nichts. Ein Foto haben Sie. Höchstens», sagte Henning Bürger.
«Das Geld», sagte Paul.
«Ich habe keine Fünfhunderttausend», erwiderte der Politiker.
«Dann gehen wir zur Polizei.»
«Sie beenden damit meine Karriere. Und ruinieren meine Ehe.»
«Bei allem Respekt, Herr Bürger: Ihre Ehe ist bereits ruiniert. Das wissen Sie. Und wir wissen das auch», sagte Paul. «Und wenn Sie unschuldig sind, dann wird Ihre Karriere das ja vielleicht überstehen.»
«Ich habe niemanden ermordet.» Henning Bürger klang nun tatsächlich etwas verzweifelt. «Aber die Presse wird mich fertigmachen, wenn sie das von Lisa und mir erfährt. Die fangen an zu schnüffeln. Die lassen keinen Stein auf dem anderen. Die finden jede Frau, mit der ich jemals etwas hatte. Egal, ob schuldig oder nicht: Ich bin dann erledigt.»
«Hätten Sie es halt gelassen. Das mit den Frauen», sagte Kuli, der zugeben musste, dass er nicht mehr ganz so standfest war, wie er es gerne gewesen wäre.
«Ich weiß nicht, ob gerade Sie sich auf einen moralischen Sockel stellen sollten», sagte der Friedenspolitiker leise. «Sie haben keine Ahnung, warum die Dinge sich so entwickelt haben, wie sie nun sind.»
Eine Pause entstand. Der Bayer und der Afrikaner hatten ihre Kabinentüren geöffnet und
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