Schlecht aufgelegt (German Edition)
Tisch rufen, er kennt den Weg.»
Paul schaute sich im Raum um, wer von seinen Kollegen denn dieses Mal als Kletzke in die Bresche springen könnte, Kuli war noch nicht so weit. Vielleicht Martin Schulte, aber das würde ihn sicherlich eine weitere Spätschicht kosten.
«Sie sind frech», sagte Frau Müller stattdessen.
«Eigentlich nicht», entgegnete Paul.
«Aber witzig», lobte sie.
«Na ja», winkte Paul ab und meinte es ehrlich.
«Und schnell im Kopf.»
«Weiß nicht», sagte Paul.
«Außer bei Ihrer eigentlichen Arbeit», schränkte Frau Müller ein. Dann wurde ihr Ton wieder geschäftsmäßig.
«Sitzen Sie in Berlin?», fragte sie.
«Ja», sagte Paul verwundert. Was sollte das denn jetzt?
«Stellen Sie mich zu Galaxy durch, aber pronto», befahl sie. «Und dann suchen Sie eine Adresse in der Kandinskystraße raus, Restaurant Kandinsky. Das werden ja sogar Sie sich merken können. Aber Achtung, Kandinsky schreibt sich mit Ypsilon, dass da nicht wieder dieses typische, ungebildete ‹Da-gibt-es-keinen-Eintrag›-Gestammel kommt.»
«Ich hab im Kandinsky schon gegessen, als Sie diesen Head-Of-Blödsinn noch gar nicht aussprechen konnten und in der Schule Strichmännchen in Ihr Poesiealbum gemalt haben, weil da sonst niemand reinschreiben wollte», log Paul. Er plusterte sich auf, jetzt kam der Niederschlag. «Und was soll ich mit der Nummer denn überhaupt machen, wenn ich Sie vorher nach Hamburg verbunden habe, Frau Müller? Das ergibt doch gar keinen Sinn …»
Frau Müller seufzte hörbar in ihr Handy. «Ich habe Adresse gesagt, nicht Telefonnummer», tadelte sie. «Schön zuhören üben, Herr Uhlenbrock. Sie rufen da an und reservieren einen Tisch für zwei Personen. Am Freitag, also übermorgen Abend bin ich wieder in der Stadt, 21 Uhr. Ich will mich über Sie beschweren, persönlich.»
«So weit kommt’s noch!», rief Paul.
«Dann betrachten Sie es eben als Blind Date», verkündete sie.
«Das wüsste ich aber!»
«Sie kommen», befahl sie.
«Selbstverständlich!»
«Gut!», sagte sie. «Und schreiben Sie sich ruhig meine Nummer auf, die wechsle ich eh ständig.»
Damit hatte sie aufgelegt. Paul riss einen Zettel von seinem Block und konnte gerade noch Sophie Müllers Handynummer abschreiben, bevor sein nächster Anrufer auch schon das Display verunreinigte.
«Was war das denn bitte?», fragte Kuli vom Nachbarsplatz.
«Was war was denn bitte?», brummte Paul zurück und freute sich über die Erfindung der Gegenfrage. «Arbeit war das», fügte er ergänzend hinzu. Und als Kulis fragender Blick einfach nicht weichen wollte, beschloss er, dem Ganzen ein Ende zu machen.
«Lass mal aufhören für heute», sagte er. «Wir haben ja noch was vor.»
[zur Inhaltsübersicht]
Erotik 2 Go
E s war längst dunkel, als sie das Call-Center verließen, erst ein wenig U-Bahn fuhren und schließlich mit der Straßenbahn hinauf zum Prenzlauer Berg. Sie stiegen an der Kastanienallee aus und wanderten in Fahrtrichtung vorbei an angesagten Cafés, einem Friseur namens Vokuhila und dem Prater Garten, der im Sommer so überfüllt war, als gäbe es sonst keine Sitzmöglichkeiten in Berlin. Das dauerte ein wenig, dann kreuzten sie die Schönhauser Allee und liefen links in Richtung Pankow, immer den über ihren Köpfen gelegenen Eisenbahnschienen folgend; sie bogen ab in die Bornholmer Straße, und dann ging es ewig geradeaus. Kuli hatte keine Fragen gestellt und Paul komplett die Führung überlassen, denn Paul kannte sich ja aus und wusste Bescheid. Nachdem aber aus der Bornholmer Straße die Osloer Straße geworden war und sie sich langsam auf immer müderen Beinen dem weniger angesagten Stadtteil Wedding näherten, war sich Kuli nicht mehr ganz so sicher. Es war schon zehn Uhr durch, und Kuli dachte daran, mal wieder etwas Sport zu treiben. So ging das ja nicht weiter.
«Was machen wir hier eigentlich? Der schläft doch bestimmt längst», brach er das Schweigen. Es war beileibe nicht sein erster Versuch, mit Paul Konversation zu führen, aber Paul hatte jeweils nur höchst einsilbig geantwortet, wenn überhaupt.
«Wir suchen eine Telefonzelle», sagte Paul. «Hab ich dir doch gesagt.»
«Ja, vor eineinhalb Stunden! Gibt halt keine Telefonzellen mehr», schnappte Kuli. «Und ich habe auch gar keine Lust mehr! Es ist schon spät! Und ich wollte noch telefonieren.»
«Deswegen sind wir ja unterwegs.»
«Von zu Hause aus! Mit Ralf!»
Paul fragte nicht nach, wer Ralf war, natürlich tat er das nicht,
Weitere Kostenlose Bücher