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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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beschleunigte dafür aber seinen Schritt. «Kannst ja jetzt hier stehen bleiben und den Bürger von deinem Handy aus anrufen, um’s einfacher zu machen», setzte er nach.
    Kuli schnaubte und schien dann tatsächlich kurz zu überlegen, ob das eine Option war.
    «Denk nicht mal dran», sagte Paul. «Ich weiß, hier ist irgendwo eine Zelle, ganz sicher! Bin mal dran vorbeigefahren, da war eine.»
    Sie liefen und liefen und liefen. Kuli fing vor Langeweile an, die Hundehaufen auf dem Gehweg zu zählen. Die Osloer Straße ging in die Seestraße über, eine chronisch verstopfte Dauerbaustelle, die hinaus zur Stadtautobahn führte. Und plötzlich befanden sie sich mitten in Wedding. Das war für Kuli mehr Stadtführung, als er es sich jemals gewünscht hatte.
    «Da!», sagte Paul. «Wusste ich’s doch!»
    Tatsächlich, direkt an einer großen Kreuzung, vor einem schrammeligen Sexcenter namens «Erotik 2 Go», stand eine geschlossene Münztelefonzelle, die wahrscheinlich schlicht und einfach vergessen worden war, damals, als über Nacht alle Menschen plötzlich Handys besaßen, Telefonzellen zu unnützen Denkmälern des analogen Zeitalters verkamen und weitestgehend abgerissen wurden.
    Erotik 2 Go, dachte Paul, als sie zwischen der Zelle und dem containerartigen Ladenlokal stehen blieben. Was für ein bescheuerter Name, was sollte das denn heißen, Erotik 2 Go. Erotik zum Weglaufen? Erotik in handlichen Pappbechern mit Deckel? Und dann dieser dämliche Englisch-Deutsch-Mischmasch mit dieser noch viel dämlicheren 2 in der Mitte. Als wenn das was Cooles wäre, in so eine Pornobutze hineinzugehen, als ob der typische Pornobutzenkunde überhaupt wüsste, was das zu bedeuten hatte mit der 2 im Namen. Wem dieser Laden wohl gehörte? 50 Cent?
    «Immerhin, die nimmt Euro», sagte Kuli, als er sich mit Paul in die Telefonzelle quetschte.
    «Mach dich nicht so breit», schimpfte Paul und schloss die schwergängige Tür. Er war kurz davor, sich die Nase zuzukneifen. Alles originalgetreu, dachte er. Alles so, wie man es erfolgreich verdrängt hatte. Die Telefonzelle war natürlich zu eng für mehr als eine Person, es stank nach Urin und Schlimmerem, die Telefonbücher waren ordnungsgemäß herausgerissen, zwei der drei Scheiben waren mit Graffiti zugesprüht. Kaum zu glauben, dachte Paul, dass er in diesem Ambiente früher stundenlang mit seiner ersten Freundin romantischen Kram gequatscht hatte; seiner ersten Freundin, die damals in Barcelona gelebt hatte und heute wieder dort wohnte und die jetzt die Mutter seiner Tochter war und weiter weg denn je. Paul nahm den Hörer ab, warf zwei Euro ein und zeigte auf die Tastatur.
    «So, jetzt tipp mal ein hier, die Nummer», sagte er mürrisch. «Es ist spät, wir müssen mal zu Potte kommen.»
    Kuli tippte mit spitzen Fingern die Nummer ein. «Was wollen wir dem denn eigentlich sagen?», fragte er ebenso miesepetrig, was wirklich selten vorkam. «Ja hallo, wir sind’s, die zwei von der Auskunft? Haben Sie Ihre Geliebte ermordet?»
    Paul zuckte mit den Schultern. «Die guten Pläne entstehen immer im Moment», antwortete er weise und stieß Kuli mit der Schulter an.
    «Du nimmst den Hörer.»
    «Nee, du», entgegnete Kuli empört.
    «Nee, du», sagte Paul unbeirrt.
    Der Freiton erklang.
    «Spinnst du?» Kuli bekam Panik. «Du!»
    «Mach du mal!», erwiderte Paul bestimmt.
    «Neeee, du!», flehte Kuli und drohte, den Hörer auf die Gabel zu legen.
    Paul seufzte, nahm den Hörer, schloss die Augen und sammelte sich.
    «Okay, du Arschloch, dir werden wir’s zeigen!», flüsterte er dann und streckte den Rücken durch.
    Es klickte in der Leitung, dann hörten sie ein Rascheln.
    «Ja?», fragte eine Männerstimme knapp – und so wie sie es fragte, war es eigentlich gar keine Frage, sondern eher ein Befehl, ein ‹Ja›, das kein ‹Nein› duldete und die ultimative Aufforderung enthielt, sich präzise und klar zu erklären. Und wehe, man hatte keinen wirklich guten Grund, um diese Uhrzeit noch anzurufen, dann war aber mal Schluss mit lustig.
    «Wir … also … ja … so …», stammelte Paul in den Hörer. Kuli, der sich so dicht an Paul gedrängt hatte, dass ihre Bartstoppeln gegeneinanderrieben, nickte dazu.
    «Hallo? Wer ist denn da?», ertönte ein weiteres Mal die so kraftvolle wie tiefe Männerstimme.
    Paul räusperte sich. «Herr Bürger?», fragte er vorsichtig.
    «Wer sind Sie? Was wollen Sie? Woher haben Sie diese Nummer?», fragte Henning Bürger, denn er war es, auf

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