Schlecht aufgelegt (German Edition)
phantasievollem Blick fürs Detail.»
Erneut entstand eine Pause. Kuli und Paul starrten gebannt auf den Hörer.
«Wer sind Sie?»
Die Stimme war immer noch leise, hatte nun aber den dominanten und eisigen Unterton zurückgewonnen. Kuli und Paul merkten, wie sich der schneidende Klang durch ihr löchriges Selbstbewusstsein fraß wie ein Raketenwurm durch einen Kinderapfel. Sie mussten unbedingt die Oberhand behalten, dachte Paul. Oder vielleicht auch erst mal gewinnen.
«Wir waren nur zufällig zur richtigen Zeit am falschen Ort», sagte er also. «Und wir dachten, wir räumen mal ein bisschen auf.»
«Na, sauber», sagte Henning Bürger, der Selbstsichere, den Paul gestern Abend im Fernsehen kennengelernt hatte. «Schauen wir mal, wer hier den längeren Atem hat.»
«Ihre Bronchien interessieren uns nicht», konterte Paul.
«Sie unterschätzen meine Möglichkeiten», stellte Bürger fest.
«Sie unterschätzen unsere», erwiderte Paul und schüttelte abwägend den Kopf. Ob das jetzt so eine gute Antwort gewesen war, wusste er auch nicht. Kuli jedenfalls nickte erneut anerkennend. Aber Paul ahnte, dass das nicht allzu viel zu bedeuten hatte.
«Meinen Sie?», sagte Henning Bürger und schien einen Moment zu überlegen. «Also gut», sagte er schließlich. «Ich gebe nichts zu, ist das klar?»
«Klar.»
«Aber ich kann diese Aufregung jetzt nicht gebrauchen. Wie viel?»
Paul und Kuli schauten sich an, dann klatschten sie ihre ausgestreckten Hände gegeneinander, aber nur ganz leise. Paul grinste.
«Fünfhunderttausend», sagte er dann und zelebrierte die Zahl, als hätte er den Betrag gerade im Lotto gewonnen.
«Leck mich am Arsch», keuchte Kuli und schaute Paul an, als hätte der in diesem Moment besagte Fünfhunderttausend vor seinen Augen verbrannt.
«So viel habe ich nicht», sagte Bürger.
«Ihr Problem», sagte Paul. «Wir haben ein Foto, das mehr wert ist. Beschaffen Sie das Geld. Sie haben eine Woche. Dann ist immer noch eine Woche Zeit bis zur Wahl. Wir melden uns wieder.»
Und damit legte Paul auf. Er sah sehr zufrieden aus.
«Fünfhunderttausend», wiederholte Kuli. «Bist du wahnsinnig?»
Sie traten aus der Enge der Telefonzelle zurück auf die Straße. Das Erotik 2 Go sah bei Tageslicht noch schäbiger aus als im gnädigen Lichterwirrwarr der Nacht. Ob es geschlossen oder eventuell noch oder schon wieder geöffnet war, ließ sich nicht erkennen. Die Scheiben waren abgedunkelt und blind vor Dreck. Eigentlich sah der Laden aus, als würde er gleich in sich zusammenfallen.
«Was hast du denn gedacht, was ich fordern soll?», fragte Paul und zündete sich eine Zigarette an. Seine Kopfschmerzen kehrten zurück. «Der ist von der Friedenspartei, der hat nicht so viel Kohle.»
«Nicht so viel …?», fragte Kuli fassungslos und wedelte mit der Hand, weil Paul ihm eine Rauchwolke ins Gesicht geblasen hatte. «Das ist mörderviel Kohle, Mann!»
«Genau», erwiderte Paul. «Sag ich doch! Mörderviel ist das. Und wenn der darauf eingeht, ist das doch so gut wie ein Geständnis.»
«Ich weiß nicht», haderte Kuli. «Das hab ich zwar gestern Abend gesagt, aber das ist jetzt doch alles erst recht eine Nummer zu groß für …»
«Aber nur, weil du den Schwanz einziehst. Sei doch mal ein Mann. So ein richtiger Mann», unterbrach ihn Paul, während er Ausschau nach einem Taxi hielt. Wenn man heute schon so großkotzig unterwegs war, konnte man sich das ja auch noch mal gönnen.
Kulis Handy klingelte. Er zog es heraus und erstarrte. Er erkannte die Nummer nicht. Bettina, das war Bettina, das musste Bettina sein. Hatte er ihr wirklich seine Handynummer gegeben? Wann das denn? Was, wenn er das Klingeln mal nicht hörte und die Mailbox ranging? Da meldete sich dann ja Uli Kulenkampff und nicht Kurt Biedental. Er musste unbedingt seine Mailbox-Ansage ändern, auf der Stelle, gleich, sofort! Jetzt aber erst mal rangehen, sonst war sowieso alles zu spät.
«Ja?», meldete er sich hektisch.
«Taxi!», rief Paul im Hintergrund und hob den Arm.
«Kurt?», hörte Kuli eine weibliche Stimme, die leider nicht gut gelaunt, verliebt und euphorisch klang. Genau genommen schien die Frau, zu der sie gehörte, zu weinen.
«Bettina, was ist denn los?», fragte er erschrocken.
«Da waren zwei Männer bei mir im Laden», schluchzte Bettina. «Die haben mich geschlagen. Ins Gesicht.»
«Scheiße», empörte sich Kuli. «Ruf die Polizei!»
«Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre. Sie haben nach dir
Weitere Kostenlose Bücher