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Schlecht aufgelegt (German Edition)

Schlecht aufgelegt (German Edition)

Titel: Schlecht aufgelegt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Stricker
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hundertfünfzig für Kuli, damit der schön im großen Hotel mit Swimmingpool und Badewanne übernachten kann.»
    Kuli und Martin Schulte schnappten gemeinsam nach Luft.
    «Moment», sagte Paul mit beruhigender Geste. «Die dreihundert zahlen wir dir natürlich zurück, wir sind ja keine Erpresser. Nur dürfen wir bestimmen, wann. Also, wann wir das Geld über haben. Alles klar?»
    Martin Schulte nickte. «Ich hab nicht so viel dabei», sagte er leise.
    «Geldautomaten sind dein Freund. Du wirst hier in der Nähe schon einen finden. Ansonsten am Bahnhof Zoo. In deiner Pause», sagte Paul, dann fiel ihm noch etwas ein. «Außerdem will ich, dass du dich in Zukunft normal benimmst, keine scheiß-langweiligen Angeber-Storys vom Rettungswagen mehr, keine weißen Tennissocken auf dem Tisch, kein ekeliges Junge-Union-Gelaber, kein Geschacher mehr mit dem Kletzke um die besten Schichten, ist das klar?»
    Martin Schulte senkte den Kopf.
    «Gut», sagte Paul zufrieden. «Morgen ist das Foto gelöscht, und ich entschuldige mich vor allen bei dir für mein Dasein. Du kannst gehen.»
    Martin Schulte machte keine Anstalten, etwas zu erwidern. Er drehte sich einfach um und ging wie in Trance zurück zu seinem Platz.
    Kuli hätte gerne irgendetwas gesagt, suchte aber noch nach den passenden Worten.
    «Du brauchst dich nicht zu bedanken», sagte Paul zuvorkommend, um Kuli zuvorzukommen. «Das Kempinski hast du dir echt verdient. Zumindest für eine Nacht.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Rain Dogs
    A ls die Schicht zu Ende war, gingen sie getrennte Wege. Kuli hatte die hundertfünfzig Euro eingesteckt und sich nicht dafür bedankt, sondern verschämt mehr oder weniger die Flucht ergriffen. Hinaus in den stockfinsteren Berliner Abend, der sehr schnell eine stockfinstere Berliner Nacht werden würde, hinaus in die Ungewissheit, hinaus in die Einsamkeit der Großstadt. Er stand auf der Hardenbergstraße und musste an eine seiner Lieblingsplatten aus den Achtzigern denken: Rain Dogs von Tom Waits. Er liebte das Cover, auf dem sich Tom Waits schutzbedürftig und mit geschlossenen Augen an die Brust einer älteren, aus voller Kehle lachenden Frau schmiegte, die vielleicht seine Mutter war. Er liebte diese Platte wegen ihrer ganzen Ausstrahlung, wegen ihrer Tiefe und wegen ihrer Extravaganz, obwohl er die eckige und düster verschlungene Musik darauf eigentlich unhörbar fand. Er hatte es noch kein einziges Mal geschafft, die Platte zu Ende zu hören. Aber er liebte sie trotzdem. Und er musste jetzt, in dieser Situation, an Rain Dogs von Tom Waits denken, weil er irgendwo gelesen hatte, dass Rain Dogs für die Tiere stand, die im Regen ihre eigene Geruchsspur verloren und deshalb nicht mehr nach Hause fanden. Solche Sachen wusste Kuli, nicht aber, wie man Nudeln kochte oder Wäsche voneinander trennte.
    Nun stand er also auf der Hardenbergstraße, dachte an Rain Dogs und überlegte gleichzeitig, was er alles nicht hatte. Er hatte: keine Zahnbürste, keine frische Wäsche, keinen Schlafanzug, keine Bettina, keine brauchbare Perspektive. Und vor allem spürte er schon jetzt, besonders nach dem so plötzlich aufgekommenen Gedanken an Tom Waits, einen ausgewachsenen Trennungsschmerz von seinen Schallplatten. Sie waren sein Leben. In ihnen steckten alle seine Gedanken, seine Gefühle, seine Sicht auf die Welt. Was, wenn diese Typen bei ihm einbrachen und vor lauter Lust an der Zerstörung Marvin Gaye zertrümmerten? Oder die La’s? Die alten R. E. M.? Fischer-Z? The Housemartins? Supertramp? Obwohl, da war es vielleicht nicht ganz so schlimm. Aber ansonsten: Nicht auszudenken war das. Er überlegte ernsthaft, ob er nicht doch nach Hause gehen und seine Heiligtümer gegen Tod und Teufel verteidigen sollte. Notfalls mit dem Bass in der Hand. Richtig geschwungen, konnte der durchaus Schaden anrichten. Kuli seufzte und verwarf diesen heroischen Gedanken wieder, denn ein anderer drängte sich auf direktem Wege in sein Bewusstsein: Wer einmal mordete, mordete vielleicht auch zweimal. Das dachte Kuli und fand, das war dann doch definitiv nicht seine Kragenweite. Er musste sich in Sicherheit bringen. Aber wo? Im Hotel Kempinski? Kuli war nicht der Typ für solch absurde Abenteuer. Kuli war der Typ, der gerne auf Nummer sicher ging. Beim Chinesen aß er immer das gleiche Gericht: gebratener Reis mit Hühnerfleisch. Das war solide, das war langweilig, aber da konnte nicht viel falsch gemacht werden, und man musste nicht die Hälfte der Portion wegen

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