Schlechte Gesellschaft
Verwandten in Köln, und die jüngste Gehrke sollte noch in diesem Sommer eine Stelle in Koblenz antreten. Aber wenn Martha am Abend in die Vorküche trat, hörte sie Hagis schon nach ihr rufen. Sie sah ihn Heinrichs Wägelchen über den Hof zerren, um ihr entgegenzukommen, und alle Pläne fortzugehen erschienen ihr mit einem Schlag waghalsig und dumm.
Während die anderen Mädchen sich die seltsamen Namen der Soldaten in die Ohren flüsterten, bis wie in einer Stillen Post bekannte Laute daraus wurden, während manche der Sehlscheiderinnen begannen, mit den Besatzern Blicke zu tauschen, und die eine oder andere ihrem Rekruten einen frischgebackenen Butterzopf vor die Zimmertür legte, begann auch Martha zu warten. Die Geschichte ihrer GroÃmutter Irma, die sie beim Kartoffelklauben so gerne erzählt hatte, lieà Martha noch immer hoffen, dasseines Tages ein Mann in das Dorf kommen würde, um sie aus Sehlscheid fortzubringen.
Das Auftreten der amerikanischen Soldaten war so schlicht wie ihre sackförmigen Uniformen. Ihre Witze mit der fremden Sprache, das unflätige Ausspucken, ihre ungezogene Haltung noch gegenüber den angesehensten Bauern wirkten auf Martha abstoÃend. Die schwarzen Männer der Versorgungseinheit sahen dagegen aus wie die Wilden mit Palmen und Strohhütten, die der Lehrer ihnen in der Schule auf Bildern aus den Kolonien gezeigt hatte. Aber ihre roten Zungen, ihre strahlend weiÃen Zähne und Augäpfel, ihr still wirkendes Wesen waren in Wirklichkeit eindrucksvoller als die Nacktheit der Männer auf den Bildern. Und auch wenn man sie im Dorf viel seltener sah als die weiÃen Soldaten, löste ihr dunkler Gesang, der abends von der Schule herübertönte, ein sanftes Ziehen in Marthas Bauch aus.
Schon bald war im Dorf das Gerücht umgegangen, die schwarzen Besatzer stiegen nachts bei jungen Frauen ein. Am Burplatz und in der Gastwirtschaft sprach man über die Wilden und ihr ungezügeltes Verlangen. Als eines Morgens sogar Pastor Heller während der Messe vor der Bedrohung warnte, die von ungesegneten Berührungen für Leib und Seele eines jungen Mädchens ausgehe, fühlten sich alle an das Unglück der kleinen Lisbeth Gehrke erinnert. Und sie dachten an die Schande, sollte tatsächlich eines Tages ein schwarzes Kind in Sehlscheid geboren werden.
Die Tage wurden zögernd länger. Das schneidende Februarlicht erwärmte wenig mehr als nur die obersten Erdbrocken der Felder. Und die Kinder mussten bis zur unteren Mühle laufen, um für ihre Ziegen und Kaninchen noch Grünes zu finden. Die Bäuerinnen hängten morgens die klammen Kleider vor das Küchenfeuer und wärmten abends die Betten mit heiÃen Kartoffeln.
Unmerklich war das leichte Beben, das der Anblick der Besatzer in den Körpern der jungen Frauen ausgelöst hatte, zu einem gewohnten Zustand geworden. Und doch war Martha Vahlen sofort hellwach, als sie â keine zwei Wochen nach der Ansprache des Pastors âvon einem groben Poltern auf den Dielen ihrer Kammer geweckt wurde.
Sie zwängte sich in die hinterste Ecke ihres Betts und zog die Decke fest um sich. Es war eisig kalt und stockfinster. Sie hörte ein hastiges Atmen, und vor dem geöffneten Fenster erkannte sie die Umrisse eines Mannes.
»Nicht schreien, Fraulein«, zischte es aus seiner Richtung.
Marthas Herz klopfte stark. Sie zwang sich, keinen Laut von sich zu geben. Sie musste an die Kaninchen denken, die sich gegen die Wand des Verschlages drängten, wenn sie eins herauszog, um es mit dem Klöppel zu erschlagen. Ihre Beine begannen zu zittern.
Der Mann lief jetzt mit ausgestreckten Armen tastend auf sie zu. Er polterte mit dem Stiefel gegen den Schemel. Dann suchte er schon das Bett nach ihr ab. Sie sah das Weià seiner Augen, das im Dunkeln zu leuchten schien.
»Da ist Fraulein«, sagte er, als sich seine Hand um ihr FuÃgelenk schloss. »Jetzt ist liebe Fraulein. Kuss. Kuss.«
Seine rauhe, nach Ãl riechende Hand presste sich auf Marthas Mund. Sie rührte sich nicht, als er sich auf sie legte. Einen Moment lang meinte sie, beinahe schützend bedeckt zu werden, und dann war es doch wie ein Ersticken. Er zerrte ihr Nachthemd hoch. Seine Gürtelschnalle bohrte sich in ihren Bauch. Die Hose zerrieb die Haut ihrer Schenkel. Und bald war der Schmerz nur noch ein Stechen, fühlte sich an wie etwas Angelaufenes, aus dem warme
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