Schlechte Gesellschaft
Erneut rieb sie, diesmal kräftig, über Washingtons Gesicht, so dass der ganze Mann ins Wanken geriet.Lange besah sie daraufhin ihre Handfläche. Dann erst sagte sie etwas.
»Sie sagt, er war es nicht«, übersetzte Meyer mit einem Achselzucken. »Der Mann, der in ihrem Haus gewesen sei, habe abgefärbt.«
Die Sache fing an, Green auf die Nerven zu gehen. Wenn Washington es nicht gewesen war, wer konnte es dann gewesen sein? Und was sollte das mit dem Abfärben? Die Hirngespinste der Einheimischen, was seine schwarzen Männer anging, fand er längst nicht mehr unterhaltsam.
Die Frau zog nun ein schmutziges Tuch unter ihrer Schürze hervor. Green wurde nervös. Wollte sie die Entjungferung des Mädchens mit Blutflecken auf dem Laken beweisen? Auf dem Tuch waren tatsächlich ein paar Schlieren zu sehen, die von Blut stammen konnten. Ansonsten sah es aber ungefähr so aus wie der Lappen, mit dem er zu Hause seine Stiefel putzte. Schuhwichse, dachte er, und verstand, was die Frau meinte. Manche seiner Männer waren weniger dumm, als er gedacht hatte. Aber diese Deutschen schienen auch nicht so hinterwäldlerisch zu sein, wie sie aussahen.
Jetzt fiel ihm ein weiterer Spruch seines Vorgesetzten ein: »Alles abstreiten. Wenn etwas nicht den Interessen der Army entspricht, dann streite es ab, Green. Damit fährt die Army noch immer am besten.« Er hätte es abstreiten sollen. Alles. Sofort. Noch als das Mädchen gesagt hatte, sie erkenne Washington nicht wieder, wäre es nicht zu spät gewesen. Er selbst hatte nach Beweisen gefragt. Jetzt war es zu spät. Einer seiner Männer war tatsächlich ein faules Ei. Und dass er es nicht gemerkt hatte, würde auf ihn zurückfallen. Wenn er keinen schwarzen Mann fände, dem er die Sache anhängen könnte, säÃe Green in der Falle.
Ein Detail (Juni 2007)
Die Buchstaben verschwammen vor Wielands Augen. Seit Stunden versuchte er, die Namen im Manuskript sinnvoll mit denen der Figuren des Romans zu verbinden. Er kniff die Augen zusammen. »Herta Krieger« aus Westerwald hieà im Fragment »Herta Voss« und war natürlich Hella Vahlen. »Julia« war Judith und »Maria« war Martha. Es lieà sich fast immer eine Entsprechung finden, nur war es nicht jedes Mal so eindeutig.
Seit die Witwe zurück in Sehlscheid war, hatte sich der Doktorand in einem neuen Hotel in Arlich eingemietet. Hella Vahlen sollte nicht wissen, dass er mit Judith weiterhin an der Manuskriptveröffentlichung arbeitete. Die Gardinen lieà er vorgezogen. Abends, manchmal schon nachmittags, kam Judith zu ihm, und sie fuhren gemeinsam nach Koblenz, gingen an der Rheinpromenade spazieren oder aÃen im Hotel.
Wieland hatte Kopien der Originale anfertigen wollen, schon weil es ihm riskant erschien, mit den vergilbten und teilweise blass gewordenen Handschriften zu hantieren. Aber Judith war dagegen gewesen. »Das sind die Notizen meines Vaters, keine Heiligtümer und Reliquien«, hatte sie gesagt. »Wenn du sie lesen willst, musst du sie auch anfassen.« Aber zugleich hatte sie ihm nicht einmal Gellmanns Briefe überlassen wollen. Anfangs machte ihn das wütend, weil er glaubte, sie vertraue ihm nicht. Er musste an Gellmanns Worte denken und bereute, dass er keine Abschriften angefertigt hatte, als er es noch hätte tun können. Doch schlieÃlich einigten sie sich, dass Judith ihm die Briefe mitbrachte, wann immer er sie benötigte. Zu Wielands Entsetzen bewahrte sie sie in einer einfachen Klarsichthülle auf, die sie in ihrer Handtasche mit sich trug.
Das Manuskript hingegen war dafür zu umfangreich. Judith willigte ein, dass er es in die Universität bringen würde, damit sein Doktorvater es sich ansehen könnte. Eines Nachmittags, als die Witwe in die Stadt gefahren war, hatte Wieland mit Judiths Hilfe den Plastikkorb voller Papiere und Notizbücher vom Dachbodengeholt, ihn im Kofferraum verstaut und war damit zum Institut nach Duisburg gefahren. Ein Dokumentenkarton mehr oder weniger im Aufenthaltsraum der studentischen Hilfskräfte würde nicht auffallen, dache er. Vorsichtshalber markierte er ihn mit seinem Namen und schrieb nach einigem Zögern in Klammern »persönlich« darunter. Zumindest gab es an der Fakultät Nachtwächter, Rauchmelder und Feuerlöscher.
Wieland arbeitete nur noch selten an seiner Doktorarbeit. Nach dem Gespräch mit Gellmann kam ihm
Weitere Kostenlose Bücher