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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Born
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Manuskript unbedingt sehen. Vielleicht hätte er die Herausgabe sogar übernehmen können.
    Er war gespannt, was die Vahlen-Tochter von ihm wollte. Gleichzeitig machte ihn ihre körperliche Nähe nervös. Bei dem Versuch, die Missbildung ihrer Hand genauer zu betrachten, fiel Kittels Blick auf ihre halbdurchsichtige Bluse. Wenn der Dekan hereinkäme, könnte er die Situation falsch verstehen.
    Selbst in der ehemals so beschaulichen Duisburger Hochschulwelt gehörten kleine Verdächtigungen und große Unterstellungen längst zum Arbeitsalltag. Kittel selbst hatte sich vor einigen Jahren dem Vorwurf ausgesetzt gesehen, in seinen Seminaren attraktive junge Frauen zu bevorzugen. Eine hysterische Langzeitstudentin hatte das Gerücht verbreitet. Sie hatte ihn wegen eines schlechten Klausurergebnisses aufgesucht, und er musste sie etwas zu freundlich angeschaut haben. Inzwischen schien sich kaum noch jemand an die Geschichte zu erinnern. Dennoch war Kittel seitdem besonders vorsichtig.
    Â»Ich frage mich, ob Andreas Wieland wirklich verstanden hat, worum es bei dieser Veröffentlichung geht«, sagte Judith.
    Das war also der Grund für den überraschenden Besuch, dachte Kittel. Sie überlegte, Wieland die Herausgabe des Manuskripts aus der Hand zu nehmen. Vielleicht hatte der Doktorand zu gewissenhaft und langsam gearbeitet. Auch Kittel war beim Lesen seiner detailversessenen Ausführungen mehrfach ungeduldig geworden.
    Â»Ich mag Wieland«, sagte Judith. »Aber in letzter Zeit wirkt er auf mich etwas abgelenkt. Er verrennt sich in fragwürdigen Recherchen. Meine Mutter ist sehr empfindlich, wenn es um den Nachlass geht. Deshalb war mir daran gelegen, Ihre Meinung zum Manuskript und zu unserem Projekt persönlich einzuholen.«
    Â»Natürlich«, sagte Kittel und versuchte, sich trotz seiner Erregung gelassen zu geben. Ob sie das Fragment bei sich hatte? In ihrer Handtasche?
    Â»Selbstverständlich hat sich Herr Wieland im wissenschaftlichen Betrieb noch keinen Namen gemacht«, sagte er vorsichtig. »Ich müsste das Manuskript erst einmal genau untersuchen, um etwas dazu sagen zu können. Die Sache interessiert mich natürlich brennend. Ich bin ein großer Verehrer Ihres Vaters.«
    Â»Vielleicht könnten wir uns das Manuskript jetzt gemeinsam ansehen? Danach würde ich es gerne wieder an mich nehmen.«
    Kittel war verwirrt. Was meinte sie? Glaubte sie, das Manuskript wäre bei ihm?
    Â»Selbstverständlich schaue ich mir gerne alles mit Ihnen an, liebe Judith«, sagte er versuchshalber.
    Es entstand eine etwas unangenehme Pause.
    Â»Sie haben das Manuskript also gar nicht.« Judith erhob sich. »Wieland hat es Ihnen nie gegeben.«
    Â»Ich fürchte nicht.« Kittel war fassungslos. Er hätte das Manuskript also längst vorliegen haben sollen. Dachte Wieland denn, die Vahlens würden seinen Alleingang nicht bemerken? Hatte er vor, die Papiere gegen ihren Willen zu behalten?
    Wieland machte einen Fehler. Aber vielleicht lag darin Kittels Chance. Irgendwo musste der Doktorand das Manuskript ja aufbewahren. Er würde nicht weit kommen ohne seinen Professor.
    Â»Ich bin sicher, es gibt eine Erklärung dafür, dass Herr Wieland mir das Manuskript noch nicht gezeigt hat«, sagte er beschwichtigend. »Ich werde mich gleich darum kümmern. Bestimmt lässt sich eine Möglichkeit finden, wie wir ihn bei seiner Arbeit unterstützen können.«
Das Feuer (März 1919)
    Als Martha erwachte, spürte sie ihr Herz heftig schlagen. Nur langsam konnte sie den Traum, in dem ihr eine riesige Männerhand Mund und Nase zudrückte, von sich abschütteln. Sie zwang sich die Augen zu öffnen. Noch immer war Nacht, aber ein flackerndes, künstlich wirkendes Licht drang durch das Fenster in die Kammer. Beißender Rauch lag in der Luft. Martha tastete nach der Großmutter, die bewegungslos neben ihr lag. Dann griff sie nach der Decke, hielt sie sich vor den Mund und sprang zum Fenster, das sie weit aufstieß.
    Im Hof sah sie die Scheune in Flammen stehen. Sie hörte Tiergebrüll aus den Ställen. Über ihrem Kopf knallte es heftig. Die Dachbalken brannten. Hastig atmete sie die kalte Luft ein und lief danngleich zurück, um ihre Großmutter zu wecken. Sie schüttelte die Alte. Steif rollte der hagere Leib unter ihren Händen hin und her. Martha erschrak. Sie wollte schreien, aber der Rauch war jetzt

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