Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Born
Vom Netzwerk:
sie prüfen, als er ihr davon erzählte, dass er das Sehlscheider Kirchenbuch konsultieren wollte.
    Â»Nein, ich will das mit dir machen«, sagte er schnell. »Vielleicht müssen wir es nur anders angehen. Wir müssen uns über einige Risiken klarwerden. Es ist wichtig, dass jemand, der sich auskennt, einen Blick auf das Manuskript wirft. Mein Professor hat großes Interesse an dem Thema. Aber es dauert eben, bis er sich alles angesehen hat.«
    Â»Du lügst.« Judiths Gesicht war verzerrt. Seine Worte hatten alles nur schlimmer gemacht. Am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten, denn jetzt graute ihm vor dem, was sie als nächstes sagen würde.
    Â»Ich habe gerade mit deinem Professor gesprochen«, fuhr Judith fort. »Er sagt, er hätte das Manuskript nie gesehen.«
    Sie war also tatsächlich bei Kittel gewesen. Vielleicht war der Professor sogar zu ihr gekommen. Wieland malte sich aus, wie Judith mit Kittel über ihn sprach. Er sah die beiden über ihn lachen. Kittel mit seinem geistvollen Professorengesicht, dem schlohweißen Haar. Judith, wie sie ihm die Hand auf den Arm legte. Einen Moment lang glaubte Wieland, den Kopf zu verlieren. Aber dann fiel es ihm doch überraschend leicht, Ruhe zu bewahren.
    Â»Hat er das gesagt? Wahrscheinlich deshalb, weil ich ihm das Versprechen abgenommen habe, niemandem davon zu erzählen«, behauptete er kühn.
    Â»Das glaube ich dir nicht. Was hast du eigentlich vor, Wieland?«
    Â»Und du? Warum läufst du hinter meinem Rücken zu meinem Doktorvater?« Er sah ihr in die Augen. »Das Manuskript liegt zur Verwahrung im Institut. Falls Kittel dir etwas anderes erzählt hat, dann tut es mir leid. Ich habe mit den Verlagsleuten gesprochen. Die sind begeistert von der Geschichte. Sie warten nur auf ein Zeichen von uns. Wenn du noch zur Veröffentlichung entschlossen bist, bin ich es auch. Du kannst mir vertrauen.« Wieder machte er eine Pause. Sicher mehr als ich dir vertrauen kann. »Aber eben deshalb müssen wir miteinander reden.«
    Â»Was für ein Quatsch«, sagte Judith. Wieland wusste nicht, ob sie ihm glaubte oder ob sie beschlossen hatte, ihn nicht mehr ernst zu nehmen. »Willst du mir erzählen, dass mein Vater fremdgegangen ist?«, fragte Judith. »Das ist für mich kein Geheimnis. Habe ich irgendwo einen Bruder, von dem ich nichts weiß? Eine Schwester? Beides? Ich würde mich freuen, ehrlich. Wenigstens wäre ich dann nicht mehr allein auf der Welt.«
    Â»Ich weiß nicht, ob du irgendwo Geschwister hast«, sagte Wieland und bemühte sich, ebenfalls belustigt zu klingen, auch wenn ihm Judiths Bemerkung einen Stich versetzte. »Vielleicht ist das nicht einmal unwahrscheinlich. Aber mir geht es um etwas anderes.«
    Â»Sag schon.«
    Â»Mein Vater hat meine Mutter auch betrogen. Aber ich wünschte, ich hätte es nicht herausgefunden. Mir wäre es lieber gewesen, er wäre einfach gegangen.«
    Â»Kann sein«, sagte Judith.
    Die Leute am Nebentisch schauten zu ihnen herüber. Wieland sprach leise weiter: »In einem Roman oder in einer Fernsehserie wirken Betrug, Verlust, Verrat oder Inzest abenteuerlich. Aber in der Realität sind sie einfach nur gefährlich.«
    Â»Was willst du damit sagen?«
    Â»Sieh dir alles genau an«, antwortete er. »Die Geschichte der Alten in Villa Westerwald und die Geschichte von Maria von Moselbach im Manuskript. Die Auswanderung von Hasso Boll in der Serieund die deines Großvaters nach Amerika. Hertha von Moselbach und deine Mutter. Da sind überraschend viele Parallelen.«
    Â»Das ist mir bekannt.«
    Â»Was ich sagen will: Es könnte sein, dass auch deine Mutter fremdgegangen ist.«
    Â»Ach ja?« Judith wirkte plötzlich empfindlich, aber noch immer skeptisch, und Wieland glaubte, ihr beweisen zu müssen, dass es sich nicht um ein Spiel handelte. »Es könnte sogar sein, dass dein Vater gar nicht dein wirklicher Vater war«, fuhr er fort.
    Â»Im Manuskript oder in der Realität?« Judith wurde laut.
    Â»In der Realität«, antwortete er mutig.
    Â»Du bist ja verrückt«, sagte Judith leise. Dann stand sie auf und ging.
    Er sah ihr hinterher, während sie zwischen den Cafétischen hindurchlief, blass und mit ausdrucksloser Miene. Wie immer zog sie alle Blicke auf sich. Über die Terrasse ging sie am Ufer entlang, bevor sie in eine der Straßen

Weitere Kostenlose Bücher