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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Born
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drohen.
    Â»Was wollen Sie jetzt tun?«, fragte Gellmann und gab dann selbst die Antwort. »Wollen Sie mich aus Ihrem Bibliothekskatalog streichen? Aus dem Lehrplan verbannen? Nur zu! Wenn Sie in Ihrem Sarg verwesen, beginnt mein Nachruhm erst zu blühen. Ich bin der Dramatiker. Ich schreibe die Worte, die den aufgehenden Mond zu dem machen, was er ist. Sie sind nur ein kleiner Wurm in einem noch kleineren Büro, der die Hände in die Taschen steckt, wenn er sich einen runterholen will.« Gellmann streckte sein Kinn vor. »Oder was sagen Sie dazu?«
    Kittel sagte gar nichts. Er hoffte nur, jetzt wäre Schluss.
    Â»Wo ist Wieland?«, fragte Gellmann merklich ruhiger.
    Â»Wenn ich das wüsste …« Der Professor seufzte.
    Â»Sorgen Sie dafür, dass er mich kontaktiert.«
    Gellmann war aufgestanden und beugte sich weit über den Schreibtisch, so dass Kittel tatsächlich Alkohol in seinem Atem roch.
    Â»Dieses Schwarzer-Peter-Spiel zwischen Euch interessiert mich nicht«, sagte der Dramatiker leise. »Wer immer die Briefe jetzt hat, Sie sind der Professor. Sie haben eine Verantwortung für das Treiben Ihrer Doktoranden. Wenn ich meine Sachen in den nächsten Tagen nicht zu lesen bekomme, dann können Sie sich auf etwas gefasst machen. Ich hänge es an die große Glocke.«
Auf dem Boden II (August 1940)
    Während die Wehrmacht im Blitzkrieg durch Belgien, die Niederlande und Luxemburg marschierte, Paris einnahm und schließlich den Luftkrieg gegen England begann, während sein ehemaliger Kollege Anhausen im Reichspropagandaministerium Karrieremachte und der Freund Gues mit seiner Jazz-Truppe zunächst nach Lissabon und dann in die USA auswandern musste, saß Richard von Nesselhahn im Treppenverschlag seines Hauses und erzählte.
    Er wusste noch immer nicht, ob Martha ihm zuhörte. Es war dunkel geworden. Wenig Licht drang durch die Tür zum Dachboden. Von Zeit zu Zeit meinte Nesselhahn, ein leises Scharren, einen tieferen Atemzug auf der anderen Seite zu vernehmen. Aber jedes Mal, wenn er innehielt, um darauf zu lauschen, war das Geräusch verschwunden. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzusprechen.
    Eines Tages hatte Marthas Bruder mit glänzenden Stiefeln und einer Hakenkreuzbinde in Nesselhahns Koblenzer Räumen gestanden. Hermann Vahlens Hände wirkten grobschlächtig, seine wildwuchernden Brauen ungepflegt. Er zog das verkrüppelte Bein auffällig nach. Sein Stand und Ansehen als Parteivorsitzender wurde in Sehlscheid längst nicht mehr hinterfragt, aber in dem mit Fischgrätenparkett ausgelegten Empfangszimmer des Aurum Verlags hatte sein Auftreten für Nesselhahn etwas Groteskes.
    Hermann erzählte seinem Schwager gleich von dem Haus im Aulbachtal. Der jüdische Kaufhausbesitzer, der es mit seiner Familie bewohnt hatte, sei vor einiger Zeit nach Kolumbien ausgewandert, der neue Besitzer ein Parteifreund. Hermann wisse zufällig, dass die Villa demnächst zum Verkauf angeboten würde.
    Nesselhahn wollte ihm danken, denn er wusste, was das Haus für Martha bedeutete. Aber als Hermann ihn mit einem leichten Zucken um den Mund anblickte, ahnte Nesselhahn, dass der Schwager nicht allein deshalb zu ihm gekommen war. Hermann erwartete eine Gegenleistung. Ein anderer Parteifreund, der direkt dem Gauleiter unterstellt sei, habe ihn gefragt, ob Aurum nicht seine Kriegsmemoiren drucken könnte.
    Nesselhahn wurde sofort vorsichtig. »Danke, dass du an mich denkst, Hermann. Aber ich glaube, das ist nichts für mich. Aurum bringt hauptsächlich Romantiker, Reiseberichte und ausländische Literatur heraus.«
    Â»Weiß ich«, sagte Hermann schnell, »aber der war ja in Frankreich, der Herr Kreisleiter.«
    Â»Ich möchte mit diesen Leuten nichts zu tun haben. Ich bitte dich, das zu respektieren.«
    Â»Was heißt hier mit diesen Leuten, Richard? Der Mann ist mein Freund!«
    Â»Entschuldige. Du weißt, wir sind nicht immer derselben Ansicht, was die Politik angeht. Das würde doch auch dein Parteifreund nicht gutheißen.«
    Nesselhahn dachte, den Schwager schon fast überzeugt zu haben, die Sache auf sich beruhen zu lassen, als dieser etwas murmelte, was er nicht sofort verstand.
    Â»Tu mir den Gefallen, Richard«, sagte Hermann. »Sonst bekommen wir beide Schwierigkeiten.«
    Nesselhahn erzählte diese Geschichte zum ersten Mal. Es war nicht seine Art, mit Martha

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