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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Born
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und, aus Kittels Sicht, die vielfachen Verbindungen zu Villa Westerwald . Diese mit Kommentaren herauszuarbeiten würde Monate, vielleicht Jahre dauern.
    Kittel war früh ins Institut gefahren, um ungestört zu sein. Gutedrei Stunden konnte er sich mit dem Manuskript beschäftigen, während es in den Gängen und Räumen um ihn herum langsam geschäftiger wurde. Als er Schritte hörte, die eindeutig in seine Richtung kamen, dachte er, das könnte nur wieder der Dekan sein. In letzter Zeit häuften sich seine Überraschungsbesuche. Und Kittel wurde das Gefühl nicht los, überprüft zu werden. Hastig packte er die Manuskriptseiten zusammen, legte sie mit den Notizbüchern zurück in den Karton zu seinen Füßen und warf, nach kurzem Zögern, ein paar der Bonbonpapiere darauf, die in einem Haufen auf dem Schreibtisch lagen.
    Es klopfte kurz. Dann flog die Tür auf. Ein Mann von massiger Gestalt mit einer hohen solariumgebräunten Stirn trat ein, den der Professor sofort als Gert Gellmann erkannte.
    Â»Gellmann. Ich nehme an, Sie wissen, wer ich bin?« Die Stimme des Dramatikers war voll und dröhnend. Erst vorgestern hatte Kittel ihn in einer Talkshow gesehen, wo er, etwas aufgeblasen, aber durchaus faszinierend, über sein neues Stück gesprochen hatte. In Wirklichkeit sah Gellmann größer aus als im Fernsehen. Aber wenigstens, dachte Kittel, wirkte er ohne die Studioschminke nicht so aalglatt.
    Â»Es ist mir eine Ehre. Hans Ullrich Kittel. Ich habe hier den Lehrstuhl für die Dramentheorie des 19. und 20. Jahrhunderts.«
    Â»Zu Ihnen wollte ich. Wieland sagt, Sie hätten meine Briefe.«
    Kittel versuchte ruhig zu bleiben. Dass der Doktorand jetzt auch noch Gert Gellmann wegen seiner Briefe zu ihm schickte, ging ihm wirklich zu weit. Vorsichtig schob er den Dokumentenkarton mit dem Fuß tiefer unter den Schreibtisch.
    Â»Setzen Sie sich doch. Ich bin erstaunt. Andreas Wieland behauptet, ich hätte Ihre Briefe?«
    Â»Die, die ich an Peter Vahlen geschrieben habe.«
    Â»Das tut mir leid. Ich weiß, dass er zu Ihren Briefen arbeitet. Aber warum er Ihnen sagt, sie wären bei mir, verstehe ich nicht. Um ehrlich zu sein, ich habe schon länger nichts von Herrn Wieland gehört.«
    Der Dramatiker schien ein wenig gebremst in seinem Schwung. Aber Kittel sah, dass er sich nicht so leicht geschlagen geben würde.
    Â»Haben Sie es schon bei den Erben versucht?«, fragte Kittel.
    Â»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
    Der Professor räusperte sich. Gellmanns Entschlossenheit war ein Problem, das wurde ihm klar.
    Â»Herr Gellmann, ich habe nicht die Gewohnheit, das Forschungsmaterial meiner Doktoranden persönlich einzusehen, geschweige denn, es für sie aufzubewahren.« Kittel versuchte, höflich und bestimmt zu klingen.
    Â»Umso besser, wenn Sie die Briefe nicht brauchen können«, sagte Gellmann. »Ich zähle darauf, dass ich sie von Ihnen bekomme.«
    Das hatte wie eine Forderung geklungen, und Kittel meinte, sich am besten sofort zu wehren: »Da müssen Sie sich schon an Herrn Wieland halten. Es ist sein Dissertationsprojekt. Sie haben sicher ein Recht darauf, die Briefe einzusehen. Aber ohne das Einverständnis der Erben dürfte Wieland sie Ihnen kaum zeigen. Das ist auch eine Vertrauensfrage.«
    Beim Anblick von Gellmanns Gesicht, das nun merklich rot wurde, bereute Kittel seine Bemerkung sofort.
    Â»Ich kann mir vorstellen, was hier läuft.« Gellmann sprach langsam und gepresst, als müsste er seine Erregung unterdrücken. »Sie lassen Wieland die Vorarbeit leisten, damit Sie hinterher vor den hübschen Erbinnen den Helden spielen können. Ruhm und Ehre in Duisburg, ja? Aber Vorsicht, Herr Professor! Wenn Sie in einem meiner Stücke vorkommen wollen, müssen Sie schon nach meinen Regeln tanzen!«
    Gellmann machte eine Pause. Er klang wieder ganz so wie Kittel ihn aus dem Fernsehen kannte, vielleicht eine Spur aggressiver.
    Â»Wissen Sie, was ein Cliffhanger ist? Ich hänge Sie am Ende des ersten Akts an einen Felsvorsprung und lasse Sie herunterbaumeln, solange es mir passt. Ich setze Sie in ein Auto und fahre es gegen die Wand. Ich verpasse Ihnen Fußpilz, Haarausfall und eine Erektionsstörung.«
    Kittel versuchte, Gellmann anzusehen, ohne seinen Blick zu fixieren. Ob der Mann betrunken war? Es schien ihm Spaß zu machen, Kittel auf diese Weise zu

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