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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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dass medizinische Statistik einem Arzt dieTherapien für seine Patienten vorschreiben kann.Wenn eine systematische Übersichtsarbeit einen klaren Beleg für eine Gesundheitsempfehlung ergibt, werden die meisten Menschen davon profitieren. Und dennoch kann man im Einzelfall damit falsch liegen.Wir Menschen bestehen nun einmal nicht aus statistischen Mittelwerten, sondern die Natur möchte eine Streuung von Merkmalen, das heißt, wir sind einfach unterschiedlich. Deshalb empfiehlt die EBM auch nicht, stur nach Statistik zu therapieren, sondern spricht von einem Behandlungskorridor. Liegt Empfehlungsgrad A vor, dann ist dieWahrscheinlichkeit, Patienten mit dieserTherapie richtig zu behandeln, hoch, aber nicht 100Prozent. Ist der Korridor sehr weit, weil es nur B oder C gibt, dann entscheidet oft die persönliche Erfahrung desTherapeuten wirkungsvoller, welcheTherapie die richtige ist. Ein guter Arzt wird deshalb bei jedem einzelnen Patienten den Erfolg einerTherapie nicht nur am Erreichen von Normwerten messen, sondern an der Beantwortung der Frage, ob es dem Patienten mit derTherapie besser geht. Ist die Antwort nein, kann es in solchen begründeten Ausnahmefällen sehr sinnvoll sein, sich trotz bester » Beweislage « gegen dieTherapie zu entscheiden.
    Fassen wir an dieser Stelle einmal zusammen:
Gute Medizin braucht gute Hypothesen.
Gute Hypothesen entstehen aus der Beobachtung heraus.
Eine Beobachtung entwickelt sich aus Erfahrung und aus Experimenten.
Eine Beobachtung kann man auch aus der Interpretation großer Datenmengen heraus entwickeln, dabei muss man jedoch sehr vorsichtig sein, da sonst schnell falsche Schlüsse gezogen werden.
Eine gute Hypothese kann richtig sein, reicht aber noch nicht als Beleg für ihreWirkung in derWirklichkeit.
Um dieWirksamkeit zu belegen, benötigt man Champions-League-Studien, die mit hohem statistischem Sachverstand durchgeführt werden.
Aber auch Studien, die hohe statistische Qualität besitzen, sind nicht zu 100Prozent auf dieWirklichkeit übertragbar.
Um diese Unsicherheit zu minimieren, braucht man die Endbeurteilung durch einen Praktiker, der aufgrund seiner Erfahrung Anwendungsfehler für den individuellen Patienten rechtzeitig erkennen kann.
    Daraus folgt:
Statistische Studien mit hoher Qualität sind sehr wichtig für die Überprüfung vonTherapien. Doch selbst wenn alles perfekt durchgeführt wurde, bleibt eine Restunsicherheit.
Deshalb besteht gute Medizin immer aus dem Zusammenspiel von guter Statistik mit professioneller Erfahrung.
Wenn dagegen eine handwerklich schlechte Statistik als Grundlage neuerTherapien vorliegt und darüber hinaus für dieseTherapie keine Erfahrungswerte vorliegen, dann ist die Gefahr sehr groß, dass solcheTherapien inWirklichkeit nutzlos oder gar schädlich sind.
    Dies sind die Grundregeln, die man braucht, um schlechte Medizin zu entlarven. Sie sind eigentlich einfach, vernünftig und leicht zu befolgen. Das nächste Kapitel handelt davon, mit welcher Selbstverständlichkeit die Regeln guter Medizin in der medizinischenWissenschaftswelt dennoch gebrochen werden.

Schlechte Medizin: Der Regelbruch wird zum Standard
    Ich möchte Ihnen nun ein paar Beispiele nennen, wie man heute in der medizinischenWissenschaft mit diesen Grundregeln guter Medizin umgeht.
    Irreführung, Schlamperei und Manipulation
    Weglassen der Vergleichsgruppe
    Eine beliebte Möglichkeit, Studienergebnisse jenseits ihrer tatsächlichen Aussagen ganz anders zu deuten, besteht darin,Vergleichsgruppen wegzulassen. Hätte dieVergleichsgruppe in unserer NaFu-2-Studie gefehlt, hätten wir fälschlicherweise Haarefärben als wirksameTherapie gedeutet. Ein gutes Beispiel für diese Art der Irreführung ist die Entstehung des Mythos Fett als Herzkiller.
    In den 1950er Jahren forderte der einflussreiche amerikanische Wissenschaftler Ancel Keys von der University of Minnesota eine groß angelegte Kampagne, um vor den Gefahren von Nahrungsfett, insbesondere tierischer Fette, zu warnen. Als Beweis für die Richtigkeit seiner Hypothese führte er die statistischen Beobachtungen aus 6 Ländern an und stellte die Ergebnisse anhand einer Kurve dar. Sie zeigte, dass die Länder mit dem höchsten Fettverzehr die meisten Herztoten aufwiesen. Die Reihenfolge beginnend mit dem höchsten Fettverzehr und den höchsten Todesraten war: USA , Kanada, Australien, England, Italien, Japan. Diese Veröffentlichung hatte Folgen. Eine der renommiertesten Fachzeitschriften der Welt, The Lancet, schrieb:

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