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Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

Titel: Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Frank
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Und diese eher leichten Beschwerden zählen meist noch gar nicht zu den schweren Muskelerkrankungen, ganz abgesehen von den anderen ernsten Nebenwirkungen, die wir oben aufgelistet haben.
    Sie sehen, wie wichtig es ist, dass in medizinischen Studien Originalzahlen angegeben werden, denn nur dann kann jeder die Ergebnisse überprüfen.Wie viele Menschen aufgrund solcher schwerer Nebenwirkungen gestorben sind, ist nicht herauszufinden, doch die Erkrankungen, um die es geht, sind zumTeil lebensbedrohend. Eine Zahl zumVergleich: Im Jahr 2010 starben auf deutschen Autobahnen 430Menschen und 4924 wurden schwer verletzt. Ich schätze die schweren Folgen durchVerordnung von Statinen auf eine ähnliche Größenordnung. Selbstverständlich gibt es auch Patienten, die durch die Einnahme von Statinen länger leben, aber ich vermute, dass die meisten der Patienten, denen Statine verordnet werden, keinen Nutzen davon haben und den damit verbundenen Nebenwirkungen umsonst ausgesetzt werden. Ganz zu schweigen von den immensen Geldsummen, die dabei bewegt werden und einem ganz anderen Zweck dienen als dem Patientenwohl.
    Meilenstein Blutdruck
    Die Framingham-Studie etablierte auch den erhöhten Blutdruck als einen wichtigen Risikofaktor für die Entwicklung einer koronaren Herzkrankheit. Ja, zu hoher Blutdruck ist ein bedeutender Risikofaktor, die Frage ist nur, ab welchemWert das Risiko erhöht ist. Meiner Meinung nach legte wiederum die Framingham-Studie die Basis für einen viel zu niedrigen Grenzwert. Und auch in diesem Bereich lässt die Studie bezüglich ihrer Datenerhebung in meinen Augen einiges im Dunkeln. Etwa werden nicht die beiden Blutdruckmessungen von Arzt und Krankenschwester getrennt aufgeführt, sondern nur die erste Messung angegeben. Jeder, der bis hierher gelesen hat, weiß, was das bedeuten kann: Man nimmt denWert, der besser zum gewollten Ergebnis passt. Auch hier sind die Unterschiede zwischen denTeilnehmern, die eine koronare Herzkrankheit entwickeln, und denen, die keine entwickeln, nicht dramatisch. Und auch hier fallen vor allem im höheren Alter höhereWerte auf, also dann, wenn die meisten Menschen eine koronare Herzkrankheit entwickeln– oder eben nicht, trotz höhererWerte.Wir sind wieder bei der unsinnigen Logik der grauen Haare als Risikofaktor.
    Bei der Beurteilung des vorhandenenWissens zumThema Blutdruckstudien beziehe ich mich auf einen Artikel von Frank P. Meyer im Hessischen Ärzteblatt von 2003 und einTelefonat mit ihm: In einer breit angelegten Übersichtsarbeit aus dem Jahr 1990 wird behauptet, dass eine medikamentöse Behandlung von Patienten mit zu hohem Blutdruck die Schlaganfallrate um 42Prozent senkt und jene für Herzerkrankungen um 14Prozent. Schaut man sich die Ergebnisse genauer an, entdeckt man die irreführende Darstellung. Es geht wieder einmal um das relative Risiko. InWirklichkeit stellt sich die Situation so dar:Wenn 62Patienten über 5Jahre Medikamente gegen zu hohen Blutdruck verabreicht bekommen, kann ein einziger Herzinfarkt oder Schlaganfall verhindert werden. Es profitiert also nur eineinziger Patient, 61weitere haben keinen Gewinn, sondern werden lediglich den Nebenwirkungen ausgesetzt. Das hört sich deutlich weniger beeindruckend an, als die Angabe von 42Prozent vermuten lässt.
    Zitiert wird häufig auch eine andere Übersichtsarbeit, die angeblich belegt, dass Bluthochdruckpatienten, wenn sie medikamentös behandelt werden, eineVerringerung des Herzinfarktrisikos von 28Prozent aufweisen. Prüft man genau nach, stellt sich heraus, dass in absoluten Zahlen nur einPatient von 270profitiert.
    Eine Arbeit aus dem Jahr 1998 konnte dagegen zeigen, dass bei 50- bis 80-jährigen Frauen und Männern eine medikamentöse Senkung des Blutdrucks beiWerten unter 160 / 90mmHg keinen Schutz vor Herzinfarkten oder Schlaganfällen mit sich bringt. Dort zeigten Patienten dieses Alters beiWerten unterhalb 120 / 75mmHg sogar wieder einen Risikoanstieg.
    Und schließlich bewertete der kalifornische Mathematiker Sidney Port im Jahr 2000 die Framingham-Daten, die heute zugänglich sind, fachlich korrekt, und zwar unter Zuhilfenahme eines zeitgemäßen mathematischen Modells. Dabei fand er heraus, dass es alters- und geschlechtsspezifische Schwellenwerte gibt, die erst überschritten werden müssen, bevor man bei Bluthochdruck von einem Risikofaktor sprechen kann. Seine Faustregel für den oberenWert lautet:
    Bei Männern: 120mmHg plus zwei Drittel des Alters. Bei einem 60-Jährigen also

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