Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)
ausschließlich mit der sehr teurenTherapie, die 2 anderen sind in ihrer Heilungsaussicht stark eingeschränkt und haben große Nebenwirkungen.Was können Sie anderes tun, als dem Arzt zu glauben?Vielleicht holen Sie noch eine zweite Meinung ein, mit dem gleichen Ergebnis. Ein unabhängiges Institut wird vielleicht warnen, die teureTherapie wäre gar nicht besser. Aber Ihr Arzt wird dagegenhalten, dass dieses Institut nur den Krankenkassen Geld sparen helfen und Sie aus diesem Grund von der besserenTherapie abhalten will. Hier vom Patienten zu verlangen, er solle die Qualität derTherapie (des Produkts) verschiedener Anbieter und den Preisunterschied abwägen und sich dann ökonomisch sinnvoll entscheiden, ist zynisch. Jemand, der um sein Leben fürchtet, wird immer denVersprechungen glauben und das teuerste Produkt anstreben. Fußt die Empfehlung auf falschen Annahmen, so haben Sie kaum die Möglichkeit, dies zu durchschauen. Sie werden deshalb mit allen Mitteln probieren, die sehr teureTherapie zu bekommen, weil Sie Ihr Leben und das Ihrer Lieben nicht riskieren wollen. Aus diesem Grund herrscht auf dem Gesundheitsmarkt immer die Dominanz der Anbieter.
Und aus diesem Grund explodieren auch die Kosten genau da, wo die größte Marktfreiheit herrscht, nämlich in den USA . Dort wird eine apparatetechnische und serviceoptimierte Hochleistungsmedizin angeboten, aber nur dem, der sie auch bezahlen kann. In den meisten Fällen bekommt der zahlungskräftige Patient dann eine Übertherapie, die medizinisch nicht unbedingt einenVorteil bietet, dafür aber im Ambiente eines Luxushotels stattfindet. Mit der Folge, dass Krankenversicherungen immer teurer werden und eine schwere Erkrankung eine Mittelschichtsfamilie in den finanziellen Ruin treiben kann. Ganz bestimmt keinVorbild für uns.
Auch ein zweiter Marktmechanismus trifft für das Gesundheitssystem nur bedingt zu. In der Automobilindustrie konnte man gut beobachten, dass Marktwirtschaft zu einer größerenVielfalt von besseren, leistungsstärkeren und sichererenAutos führt als in einer Planwirtschaft. Man vergleiche nur Golf, Mercedes,Audi, BMW mit einemTrabi. In der Medizin heißt schneller und leistungsfähiger aber nicht immer besser. Oft sogar schlechter. Die Faktoren für gute Medizin sind– wie wir gesehen haben– viel komplexer. Dazu kommen noch Erfahrung, dasWissen umGrenzen, Individualität, Zuwendung und Aufmerksamkeit. Diese Eigenschaften haben nicht nur mit technischen Kennziffern oder Evidenz zu tun, sondern auch mit einer inneren Haltung. Und die entsteht nicht in erster Linie durch finanzielle Anreize, sondern durchVorbild,Wertschätzung, Motivation und Menschlichkeit.
Die Chancen auf ein großes Kuchenstück steigen im Gesundheitswesen beträchtlich, wenn man seine Angebote mit dem Segen derWissenschaft versehen kann. Deswegen haben all die Studien, über die wir in diesem Buch schon gesprochen haben, auch starke finanzielle Konsequenzen. Es liegt in der Logik einer Marktwirtschaft, dass deshalb Anbieter versuchen, die Ergebnisse solcher Studien nach ihrenVorstellungen zu beeinflussen. Eine gut dokumentierte Praxis. Noch wirkungsvoller ist es jedoch, die Lehrmeinung direkt zu beeinflussen, zum Beispiel durch finanzielle Anreize für die Leitlinienautoren. Denn wenn eineTherapie in einer Leitlinie erst einmal empfohlen wird, dann ist das gleichbedeutend mit einer offiziellen Empfehlung an alle Ärzte, dieseTherapie zu verordnen, und das beste Argument dafür, von den Kassen die Finanzierung zu verlangen. Hat man die Meinungsführer dann in derTasche, braucht man keine guten Studien mehr, denn der Studien- TÜV wird ja von den Leitlinienautoren selbst durchgeführt, und keiner kontrolliert später das Ergebnis. Es gibt unzähligeVeröffentlichungen, die auf dieses Problem hinweisen. Eine der neuesten ist eine Analyse aus den USA , bei der herauskam, dass mehr als die Hälfte aller Autoren von kardiologischen Leitlinien finanzielle Beziehungen zur Industrie haben. Es waren exakt 277 von 498. Nicht wenige sind sogar Aktionäre der Firmen, deren Produkte sie in den Leitlinien bewerten. Besonders gravierend dabei ist, dass die Chefs der Leitlinien, also dieVorsitzenden der Autorenkomitees, zu 81Prozent solche Interessenkonflikte aufwiesen. Auch die kardiologischen Fachgesellschaften finanzieren sich zumTeil durch Spendengelder aus der Industrie.
Ärzte weisen eine dadurch entstehende Beeinflussung ihrer Objektivität weit von sich. Doch dies erscheint
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