Schlechte Medizin: Ein Wutbuch (German Edition)

muss veröffentlicht werden.
    Das bedeutet nichts anderes als die Bankrotterklärung des freien Denkens an der Universität. Universitäten versagen immer mehr dabei, der Ort zu sein, an dem neue Ideen auf alte Prinzipien treffen, um im harten und sachlichen Streit die besten Methoden und Empfehlungen für die Gesellschaft zu entwickeln. Über dem Portal der Neuen Universität in Heidelberg steht in großen Buchstaben » Dem lebendigen Geist « , eine Reanimation wäre eine gute Idee. Stattdessen werden uns immer neueVerpackungen präsentiert, unter denen sich nichts als die altbekannten Irrtümer verbergen.
    Charakterrisiko Wissenschaft
    Was macht dies alles eigentlich mit der Persönlichkeit eines jungen Forschers?Versucht einWissenschaftler, ein tatsächlich neues Forschungsergebnis zu veröffentlichen, geht er das Risiko ein, von den Gutachtern abgelehnt und zur Nachbesserung aufgefordert zu werden, weil sie die herkömmliche Meinung vertreten. Dann schwächen die Forscher ihre Kritik am Bestehenden so weit ab, dass ihr gesundes Forscherrückgrat immer mehr gekrümmt wird. Doch mit welchen psychischen Folgen? Der bekannte schweizerischeWirtschaftswissenschaftler Bruno Frey spricht in diesem Zusammenhang von der » Prostitution derVeröffentlichung « . Dabei steht dem eigenen Forscherdrang weniger der Chef imWeg, der irgendwann in Pension geht, als vielmehr ein internationales System, dem man nicht entrinnen kann. JungeWissenschaftler müssen mitmachen, wenn sie ihre Karriere nicht aufs Spiel setzen wollen. Und das häufig auf Kosten der persönlichen Glaubwürdigkeit. Und daWissenschaftler heute meist nicht auf Lebenszeit eingestellt werden, sondern Zeitverträge bekommen, traut man sich noch weniger, Kritik zu äußern, sodass man sich irgendwann einfach damit abfindet. Und so kommt es, dass das, wasThomas Kuhn den Paradigmenwechsel in derWissenschaft nannte, nicht mehr stattfindet. Die Revolution fällt aus. Der Irrtum ist zementiert.
    Das System ist krank
    Was Alfred Kieser für dieWirtschaftswissenschaften schildert, gilt auch für die Medizin. Auch hier produziert der Impact Factor massenweise überflüssige Publikationen ohne Erkenntnisgewinn. Er etabliert ein antiwissenschaftlichesVerhalten. Neue Ansätze oder Kritik an etablierten Lehrmeinungen werden systematisch unterdrückt.
    Doch während in der Finanzwelt solche Blasen platzen, wenn Banken zahlungsunfähig werden, geht in der medizinischen Fachwelt niemand pleite, im Gegenteil. Die Leidtragenden sind die Patienten, und viele von ihnen bezahlen es mit ihrem Leben.

TEIL III
    Die gesellschaftlichen Auswirkungen schlechter Medizin
    » Es geht also nicht allein um Essen und Trinken, es geht um unseren gesamten Lebensstil… Mit all diesen Problemen fertig zu werden und gleichzeitig gegen die geistige und körperliche Trägheit sowie die alles beherrschende Essenslust zu kämpfen, verlangt enorme Kraft. Und man wird nur in der Kombination von Zwangsmaßnahmen, Überzeugungsarbeit, Erziehung und psychologischen Strategien in kleinen Schritten vorankommen. «
    Prof. Dr. Helmut Erbersdobler, ehemaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ( DGE )
    Ernährungs-Umschau 51 (2004), Heft 10

Das Geschäft mit der Angst: Wie schlechte Medizin uns seelisch krank und manipulierbar macht
    Auf den ersten Blick könnte ein Buch über schlechte Medizin jetzt enden. InTeil I und II habe ich gezeigt, dass und wie Millionen Menschen falsch behandelt werden, sowie die Gründe dafür benannt. Doch moderne Medizin beschränkt sich nicht nur auf Erkennung und Behandlung von Krankheiten. Sie findet ihre Anwendungsfelder längst weit außerhalb von Arztpraxen oder Krankenhäusern. Medizin ist heute omnipräsent und möchte in fast allen Belangen, die unseren ganz persönlichen Lebensbereich betreffen, mitreden. Diese Empfehlungen, die uns dabei im Namen der Gesundheit mit immer mehr Nachdruck nahegelegt werden, schaden uns jedoch zumeist.Weise ich in der öffentlichen Diskussion darauf hin, stelle ich fest, dass dies nie zu einer fachlichen Auseinandersetzung führt, sondern dass eine moralischeVerpflichtung zur Begründung ins Feld geführt wird. Das bedeutet: All die Argumente, die Sie aus den ersten Kapiteln kennen, prallen an den Befürwortern eines solch umfassenden Gesundheitsverständnisses einfach ab. Deshalb möchte ich Ihnen nun erklären, was hinter dieser raumgreifenden Form von schlechter Medizin steckt.Wie man Menschen dazu bringt, Dinge zu tun,