Schlechtes Chili - Lansdale, J: Schlechtes Chili - Bad Chili
auf den Kopf legte und darum herumschnitt, sodass von der Mitte des Kopfes bis zu den Ohren alles kahlrasiert war. Dann gab es den Schnitt, den viele von uns den Schnitt der Geistig Gesunden und Geistig Zurückgebliebenen nannten. Einen ähnlichen Schnitt bekamen die geistig Behinderten in den staatlichen Schulen. Bei diesem Schnitt wurde alles abgeschnitten, was zu sehen war und was man abgeschnitten haben wollte, vorausgesetzt es blieben noch Deckhaare oben auf dem Kopf übrig wie bei einem Dutt. Mit diesem Schnitt sah man so ähnlich aus wie eine Rübe. Außerdem gab es den GI -Schnitt, im Wesentlichen ein kahlrasierter Kopf. Ihn bekamen hauptsächlich jene verpasst, die im Verdacht standen, Insekten ein Heim zu geben. Und schließlich gab es Standardschnitte wie Kleiner Mann Nummer Eins. Dieser Schnitt war beinahe passa-bel, es sei denn, man wollte es im Nacken stufig geschnitten haben. Das gab es nicht. Der Kopf wurde ziemlich gut geschnitten, aber im Nacken wurde man glatter rasiert als ein rotzverschmierter Türknopf. Es gab auch Kleiner Mann Nummer Zwei. Dabei bekam man nicht nur einen Haarschnitt, sondern auch eine Rasur sowie ein paar tiefe Schnitte, die mit einem auf Alkohol beruhenden Stinkwasser abgetupft wurden, das eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Fliegen ausübte. Und schließlich gab es noch Kleiner Mann Nummer Drei, aber der war so grauenhaft, dass es schwierig ist, darüber zu reden. Dieser Schnitt war die Spezialität von Bob persönlich, dem Burschen, der die anderen ausbildete. Er war bei der Arbeit grundsätzlich betrunken, und seine Hände zitterten, und viele von uns hatten den Verdacht, seine Arbeitswerkzeuge seien Unkrautvertilger und Heckenschere.
Es geht doch nichts über alte Erinnerungen.
Leonard und ich verbrachten ein paar Minuten damit, eine junge, blonde Frau mit einer Schere zu beobachten, wie sie einem ältlichen Mann die Nasenhaare schnitt. Aber als an den abgeschnittenen Haaren die ersten kleinen Popel hingen, verlor ich schlagartig das Interesse.
Schließlich kam ein Mann zu uns, um uns zu helfen. Er war klein und blass und hatte seine dunklen Haare streng zurückgekämmt und mit einem derart glänzenden Zeug eingeschmiert, dass man sich fast darin spiegeln konnte. Er hatte einen dieser bleistiftdünnen Schnurrbärte, wie ihn die Filmstars der Vierziger Jahre getragen hatten und die einen immer so aussehen ließen, als habe man eine Schokoladenmilch getrunken und vergessen, sich den Mund abzuwischen. Sein buntes Hemd war fast bis zum Nabel geöffnet, und ich kann Ihnen sagen, das war kein lohnenswerter Anblick. Er hatte eine Brust wie ein Vogel, einen kleinen Spitzbauch und eine dünne, gerade Haarlinie, die von der Brust zum Nabel verlief und aussah, als bestehe sie aus den Nasenhaaren, die die Blondine abgeschnitten hatte. Er trug ein Goldmedaillon an einer Halskette. Das Medaillon erinnerte mich an diese Schokoladenmünzen, die in goldene Aluminiumfolie eingewickelt sind. Er musste Ende Vierzig sein. Mit so einem Gesicht und Körper wird man nicht geboren. Es bedarf einigen Missbrauchs und Vernachlässigung, um es so hinzukriegen.
»Kann isch Ihnen ’elfen, Messieurs? Isch bin Pierre.«
Sein Akzent stammte direkt von Pepé Le Pew, dem Stinktier aus den Zeichentrickfilmen von Warner Brothers, vielleicht mit einer Prise Frito Bandito durchsetzt. Er war weder spanisch noch französisch, sondern aufgesetzt.
»Pierre?«, sagte Leonard. »Sie heißen wirklich Pierre?«
»Das ist rischtisch.«
»Wo ist Antone?«, fragte Leonard.
»Es gibt keine Antone«, sagte Pierre. »Das ist nur ein Name, der mir gefiel.«
»Dann sind Sie der Besitzer?«, fragte ich.
Er nickte. »Was kann isch für Sie tun?« Sein Akzent war jetzt noch weniger identifizierbar. Mittlerweile klang er ein wenig deutsch.
Leonard nannte Rauls Namen und sagte: »Wie es scheint, ist er umgebracht worden. Ermordet. Es hat in der Zeitung gestanden, also wissen Sie wahrscheinlich davon.«
»Isch bedaure. Isch lese keine Zeitung.«
Leonard warf mir einen wissenden Blick zu.
»Isch wusste nur, dass er nischt mehr kam. Die Cops waren ’ier. Aber tot, das wusste isch nischt.«
»Was wir wissen wollen«, sagte ich, »ist, wie sich das mit dieser Abmachung verhält, die Sie mit Ihren Schülern haben, dass sie den Leuten zu Hause die Haare schneiden.«
»Das ist der letzte Schrei«, sagte Pierre. »Die reischen Kunden lieben es. Raul, er war, wie sagt man … ein guter Mann. Anders als
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