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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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mich herum. Es war, als schwebte ich durchs All, alles drehte sich und vor meinen geschlossenen Augen tanzten kleine goldene Funken. Am liebsten wäre ich für immer hier stehen geblieben: Mit Till im Kussversunken, den ganzen Herbst hindurch, bis es schneite, sodass die Welt um uns herum in stillem Weiß versank und nicht einmal mehr ein Laut uns störte …
    Wie durch Watte hörte ich das Geräusch eines Reißverschlusses. Ehe ich noch recht realisieren konnte, dass es sich dabei um den Reißverschluss meiner Jacke handelte, fühlte ich auch schon Tills Hände unter meinem Shirt. Unter Vios Shirt. Überhaupt: Was sollte das? Hastig machte ich mich von ihm los.
    »He, was ist?«, fragte Till etwas atemlos.
    Ich verschränkte die Arme vor dem Bauch und wich einen Schritt zurück. »Das geht mir zu schnell«, sagte ich leise.
    Wir waren gerade mal beim ersten Kuss angelangt und Till fing sofort an zu fummeln? Noch dazu mitten auf der Straße – na gut, mitten auf dem Feldweg, aber trotzdem.
    »Ach komm schon, Lila«, warf Till lässig ein. Grinsend musterte er mich von oben bis unten.
    »Ich meine, du kommst in dem Aufzug zu ’nem Date und lotst mich nach fünf Minuten aus dem ›Azúcar‹ – welche Schlussfolgerung sollte ich daraus wohl ziehen?«
    Jetzt wurde ich sauer. »Kann ich ahnen, dass du einen harmlosen Spaziergang gleich als Lizenz zum Grapschen auffasst?«, gab ich scharf zurück.
    »Na, so harmlos ist der Spaziergang ja nicht«, lächelte Till und versuchte mich wieder an sich zu ziehen.
    Aber etwas hatte sich bei mir geändert. Als hätte jemand einen Stein in die Mitte eines glatten, stillen Sees geworfen, machte sich in mir ein stärker werdendes Unbehagen breit. Heftig wand ich mich aus Tills Griff.
    Er verdrehte die Augen: »Mann, deine Freundin war aber nicht so prüde«, rutschte es ihm heraus.
    Seine Worte waren wie ein Schlag in den Solarplexus.Mir drückte es die Luft aus dem Brustkorb und ich starrte Till zwei Sekunden nur fassungslos an. Alles, was ich vorher für ihn gefühlt hatte, wurde mit einem ziehenden Schmerz wie an einer unsichtbaren Schnur aus meinem Herzen gerissen. Dafür wurde mein Kopf schlagartig klar, als hätte ich ihn in ein Becken mit Eiswasser getaucht.
    »Also warst du nach der Schulfete doch noch mit Vio zusammen, stimmt’s?! Was ist passiert? Wollte sie nicht mehr – und dann hast du sie umgebracht?«, schleuderte ich Till entgegen.
    Der wurde blass und seine Augen weiteten sich. »Spinnst du?«, brachte er nur heraus.
    Ich musterte Till. Traute ich ihm das wirklich zu? Wäre Till tatsächlich fähig gewesen Vio zu töten?
    »Ich hab doch nicht … Ich könnte nie … Ich bin doch kein Mörder!« Den letzten Satz schrie er beinahe.
    »Ach nee – und woher soll ich das wissen?«
    Ich war total ruhig. Im Gegensatz zu Till. Der sah völlig aufgelöst aus. Seine Haare hingen ihm in die Augen und er strich sie mit einer fahrigen Bewegung nach hinten, sodass sie jetzt nach allen Seiten abstanden und irgendwie uncool aussahen. Sein lässiges Grinsen war verschwunden, sein Gesicht verzerrt.
    »Bist du irre, wieso sollte ich Vio umbringen, häh? Und außerdem: Ich hab ein Alibi!«
    »Und was, wenn deine Kumpels vor der Polizei für dich gelogen haben?«, ließ ich nicht locker.
    »Sag mal, was willst du eigentlich von mir, eh? Mich hinhängen oder was? Nur weil ich dich vorhin angefasst habe? Bist du so ’ne verklemmte Kuh, die sofort die Bullen holt, wenn mal einer ’n bisschen Interesse an dir hat?«, zischte Till und kam einen Schritt näher. Drohend.
    Doch das beeindruckte mich nicht. Nichts an Till beeindruckte mich mehr. Auf einmal war es, als stünde eine Schaufensterpuppe vor mir. Außen hübsch und innen leer. Ich hatte in diesem Augenblick nicht mal Angst.
    »Was willst du machen, hm? Mich auch umbringen? Hier?«, fragte ich laut und sah ihm direkt ins Gesicht.
    Als wäre er gegen eine Mauer gelaufen, blieb Till ruckartig stehen. Er starrte mich an.
    »Du hast sie ja wohl nicht mehr alle! Du hast echt ein Problem, weißt du das?« Er wandte sich ab und stapfte davon. Doch dann drehte er sich noch einmal um und rief über die Schulter: »Wieso bist du an der Fete eigentlich nicht mit deiner Freundin nach Hause gegangen, hä? Ihr beide habt doch sonst immer aneinandergeklebt …!«
    Mit brennenden Augen sah ich Till nach. Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert. Doch wer die Ohrfeige eigentlich verdiente, war ich. Denn Till hatte ins Schwarze getroffen: Ich

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