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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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hatte Vio tatsächlich im Stich gelassen.

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: verrat …

    liebe vio,
    ich hab’s versaut. ich habe mir eingeredet, ich würde mich mit till treffen, um rauszukriegen, ob er mehr weiß, als er der polizei gesagt hat. aber ich bin eine versagerin – und eine verräterin. denn in wirklichkeit bin ich ins café gegangen, weil ich immer noch in till verknallt war und gehofft habe, dass er jetzt endlich auf mich aufmerksam geworden war. als er mich geküsst hat, da habe ich einen moment geglaubt, dass es so ist.
    »und – war’s das wenigstens wert?«, höre ich dich sagen. nein, vio, das war es nicht. ich habe mich gehasst, weil ich auf till reingefallen bin.aber till hab ich auch gehasst, weil er mich dazu gebracht hatte, mich in ihn zu verlieben. seinetwegen hatte ich streit mit dir.
    ich wünschte, du würdest mir ein zeichen geben, wie in diesen filmen, in denen die toten aus dem jenseits mit ihren liebsten kommunizieren. aber vielleicht willst du ja gar keinen kontakt zu mir aufnehmen. bestimmt bist du böse auf mich. weil ich till geküsst und dich damit verraten habe …
    deine lila

    Erst auf dem Heimweg fiel mir auf, dass mir irgendetwas fehlte. Etwas, das ich vorhin noch dabei gehabt hatte … Meine Tasche! Ich hatte sie im »Azúcar« liegen lassen. Hoffentlich hatte inzwischen keiner meine Geldbörse ausgeräumt. Nicht nur meine restliche Kohle für diesen Monat, sondern auch die Busfahrkarte und mein Ausweis wären sonst flöten gegangen. Was meine Eltern dazu sagen würden, wollte ich mir lieber nicht vorstellen. Seit meiner Haarfärbe-Aktion war das Gute-Laune-Thermometer zu Hause sowieso um einige Grad gefallen.
    Als ich außer Atem durch die Schwingtür ins Café stürmte, lächelte mich der junge Typ mit der schief gebundenen Kellnerschürze hinterm Tresen beruhigend an. »Keine Panik, deine Tasche ist hier in Verwahrung.«
    »Woher wusstest du …«, fing ich an.
    »Wer mit so ’ner Panik in den Augen ins Café stürmt, hat entweder lebensbedrohlichen Koffeinmangel – oder was Wichtiges liegen lassen«, sagte er zwinkernd. »Bei dir tippe ich auf Letzteres.«
    Damit bückte er sich und zog mein kostbares Stück aus den Tiefen der langen Bartheke hervor.
    Ich seufzte erleichtert: »Danke, dafür werde ich dich in mein Nachtgebet einschließen.«
    »Ich hätte da einen besseren Vorschlag: Wie wär’s mit deiner Handynummer – oder ’ner E-Mail-Adresse?«, gab der Kellner zur Antwort.
    Ich konnte ihn nur perplex anstarren. Meinte der wirklich mich? Doch scheinbar war es ihm ernst, denn er stand abwartend da und hatte schon einen Kuli gezückt. Was sollte ich tun? Es war das erste Mal, dass mich ein Typ, den ich überhaupt nicht kannte, ansprach. Beziehungsweise anbaggerte. Noch dazu einer, der um einiges älter war als ich. Erst Till, jetzt der Kellner. Lag das an meinen neuen Haaren? War das Rot so eine Art Signal? Hatte das bei Vio auch funktioniert?
    Und da durchzuckte mich ein Gedanke. Ich sah den Kellner an: »Sag mal, machst du das öfter? Ich meine, Mädchen nach ihrer Telefonnummer zu fragen?«, tastete ich mich vor.
    Er grinste und meinte lässig: »Nur bei denen, die so schöne rote Haare haben und mich interessieren – so wie du.«
    Prompt fühlte ich meinen Verdacht bestätigt und platzte raus: »Du hast meine Freundin Vio gekannt, stimmt’s? Hat sie dir ihre Nummer gegeben? Habt ihr euch vor zwei Wochen getroffen?«, sprudelte ich raus.
    Plötzlich war ich überzeugt, Vios Verschwinden auf der Spur zu sein. Ja, ich war mir fast sicher. Der Kellner stand auf rothaarige Mädchen, das hatte er selbst gesagt. Das »Azúcar« war ein beliebter Schülertreff. Garantiert hatte er Vio hier im Café angesprochen, genau wie mich und …
    Der Kellner hatte inzwischen seinen Kuli wieder eingesteckt und musterte mich kopfschüttelnd.
    »Ein einfaches ›Nein‹ hätte auch gereicht, wenn du mir deine Nummer nicht geben willst. Wieso müsst ihr Frauenalles immer so kompliziert machen?«, fragte er, doch er sah nicht belustigt aus, sondern genervt.
    »Aber …«, fing ich an, doch er unterbrach mich kurz angebunden: »Ich habe deine angebliche Freundin nie gesehen – ich bin erst vor einer Woche von Braunschweig hierher gezogen und jobbe hier seit vorgestern – zufrieden?!«
    Damit wandte er mir ohne ein weiteres Wort den Rücken zu und machte sich an der Espressomaschine zu schaffen.
    Was war ich für eine Idiotin. Erst Till und jetzt der

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