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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Verzweiflung und Schuldgefühle. Die Frau schlief seit dem Mord wahrscheinlich trotz Schlafmittel keine Nacht mehr durch. Ungeduldig schlug Monika mit der flachen Hand auf ihren Schreibtisch. Das gibt es doch nicht, dachte sie, irgendeine Spur muss doch zu finden sein! Sie beschloss, alles noch mal durchzugehen. Aber erst brauchte sie einen Kaffee. Doch der Geruch nach verbranntem Kaffeepulver zerstörte Monikas Hoffnung auf eine spontane Wunderheilung der Maschine. Seufzend zog sie ein leeres Blatt Papier heran und begann zu kritzeln:
    Wozu brauchte V. ihren Laptop?«
Hausaufgaben
Referate
Recherchen für Schule
Mails verschicken/empfangen
Im Internet surfen
Chatten? Facebook? Stayfriends? Friendscout?

    Der Kuli schwebte über dem Blatt. Monika spürte ein Kribbeln im Bauch. Natürlich – die Kids waren doch alle in irgendwelchen Onlineforen unterwegs. Dass sie darannicht gedacht hatte! Sie schrieb sofort eine Mail an die Abteilung Computerforensik. Die sollten alle einschlägigen Internetforen nach Viktorias Namen durchsuchen.
    Nachdem sie das erledigt hatte, überlegte sie weiter und kaute dabei unbewusst auf ihrem Kuli herum. Ein flüchtiger Gedanke zog vorbei und setzte sich fest. Ihr Kopf sagte Monika, dass sie sich in etwas verrannte, aber ihr Bauchgefühl ließ sie zu einer ganz bestimmten Akte vom Frühsommer dieses Jahres greifen …

    Hastig räumte ich Teller und Besteck zusammen und wollte aufstehen.
    »Lila, warte mal kurz. Ich würde gern mit dir über die Sache heute Vormittag sprechen«, hielt meine Mutter mich zurück.
    Ich seufzte: »Ich hab doch schon gesagt, das mit Julius tut mir leid. Ich hatte eben einen Albtraum!«
    »Siehst du, das meine ich«, hakte meine Mutter sofort ein. »Seit Tagen bist du irgendwie durch den Wind. Und so abweisend. Früher hast du mir immer alles erzählt …«
    »Früher, früher«, unterbrach ich meine Mutter gereizt. »Jetzt hat sich eben was geändert – ich hab mich verändert. Ich bin kein Kind mehr, das dauernd zu Mama rennt«, sagte ich und fügte hinzu: »Dafür hast du jetzt Julius.«
    Als ich das Gesicht meiner Mutter sah, taten mir meine Worte fast wieder leid. Ich sah, dass ich sie getroffen hatte. Aber sie musste einfach mal kapieren, dass ich nicht mehr das Bedürfnis hatte, jede Sekunde meines Lebens mit ihr durchzuquatschen. Und die jüngsten Ereignisse schon gar nicht. Ich wollte sie da raushalten. Was ich machte, war vielleicht leichtsinnig, aber ich war Vio was schuldig. Ich hatte sie damals vor der Schulparty im Stich gelassen, dasmusste ich wiedergutmachen – obwohl oder gerade weil sie nicht mehr am Leben war.
    Und in diesem Moment wurde mir klar, dass ich ab jetzt nie wieder in der Gegenwartsform von Vio sprechen könnte. Alles, was ich ab jetzt über sie erzählte, würde unweigerlich mit den Worten »damals« oder »früher« beginnen. Ihr Tod hatte eine unsichtbare Linie gezogen und mein Leben in ein »Davor« und ein »Danach« geteilt, so präzise wie ein Schnitt mit einem Skalpell.
    Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken. »Ich mache mir Sorgen um dich, Lila. Seit Vios Tod …«
    »Ich will nicht darüber reden, okay?«, fiel ich meiner Mutter ins Wort. Ich merkte, dass meine Stimme laut geworden war. »Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden, ist das so schwer zu verstehen?«
    Mit einem lauten Klappern stapelte ich die Teller aufeinander und trug sie in die Küche. Ich wollte nicht mehr diskutieren, ich wollte einfach raus hier, weg von meiner Mutter und ihren Fragen, ich wollte keine Angst mehr haben müssen, ich wollte … Vio wiederhaben. Das war es. So einfach – und doch unmöglich.
    Mir schossen die Tränen in die Augen, aber das sollte meine Mutter nicht sehen. Also knallte ich die Teller auf die Ablage der Spüle und stürzte aus der Küche in mein Zimmer. Aufatmend schloss ich die Tür und lehnte mich einen Moment mit dem Rücken dagegen. Nicht nachdenken, nicht an Vio denken, sonst würden die Tränen gar nicht mehr aufhören zu fließen. Ich wusste nicht, wohin mit mir, also setzte ich mich an meinen Schreibtisch und fuhr den Computer hoch. In meinem schülerVZ-Account war eine neue Nachricht eingegangen.

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: wieder besser?

    Hi Lila,
    hab mitgekriegt, wie du umgekippt bist und mir Sorgen gemacht. R u okay?
    Grover

    Ich schnaubte, musste aber über Grovers Hartnäckigkeit schmunzeln. Er gab wohl nie auf, obwohl ich ihn oft

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