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Schlehenherz

Schlehenherz

Titel: Schlehenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Eva Schmidt
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Und dann kommt er lebenslang in den Knast und kann niemandem mehr etwas tun«, sagte ich und versuchte überzeugend zu klingen.
    Sie nickte matt, aber ich merkte, dass sie wenig Hoffnung hegte. Genau wie ich. Auch wenn ich für Vio betete, dass die Kripo ihren Mörder fände und festnähme, so war es doch nicht nur um ihretwillen, sondern auch ein stummes Gebet für mein Leben.

    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: blauer_reiter

    liebe vio,
    ich habe jemanden kennengelernt. naja, eigentlich kenne ich ihn nicht, wir chatten nur. er nennt sich »blauer reiter«, stell dir vor – wie die maler, deren bilder du so geliebt hast. manchmal denke ich, er ist ziemlich durchgeknallt wegen dieser ganzen gedichte, die er mir schickt, aberwenigstens versteht er mich. sein bester freund lebt auch nicht mehr und ich fühle mich mit ihm irgendwie … nein, nicht seelenverwandt, das bleibt immer uns vorbehalten, aber … verbunden.
    vio, sei nicht eifersüchtig, aber seit deinem tod ist er der erste, der mich so akzeptiert, wie ich bin, und auf seltsame art und weise meinen schmerz mit mir teilt. ich wünschte, ich müsste dir das nicht ins jenseits schreiben, sondern könnte es dir erzählen. obwohl ich dich vor mir sehen kann, dein grinsen, und ich höre dich fragen: »wow, lila, du hast dich doch wohl nicht verknallt?«
    und ich würde dir einen knuff verpassen und sagen: »natürlich nicht, bist du bescheuert?«
    aber weil man die toten nicht belügen kann, antworte ich: »vielleicht.« ich weiß, es ist verrückt, sich in jemanden zu verlieben, von dem man nicht mal den richtigen namen kennt, aber … irgendwie berührt er meine seele.
    deine lila

    »Hör mal, willst du jetzt eigentlich Tag und Nacht vor dieser Kiste sitzen?«
    Meine Mutter stand im Zimmer und warf einen stirnrunzelnden Blick über meine Schulter. Hastig aktivierte ich den Bildschirmschoner. Statt meines schülerVZ-Profils schwammen nun bunte Fische über meinen Bildschirm.
    »Musst du hier so reinplatzen?«, fragte ich zuckersüß, obwohl ich über ihr überraschendes Erscheinen eher sauer war.
    »Ich hab dich dreimal gerufen, aber du hast nicht gehört«, sagte sie und ihre Stimme hatte einen vorwurfsvollen Unterton. »Abendessen ist fertig«, fügte sie hinzu, als ich nicht reagierte.
    »Danke, keinen Hunger. Ich hab mir vorhin schon ein Brot geschmiert«, erwiderte ich abwesend.
    Ich wartete sehnsüchtig auf eine Mail von »Blauer Reiter« und hatte keinen Nerv, mit meinen Eltern und Julius am Abendbrottisch zu sitzen und heile Welt zu spielen. Aber genau das wurde offensichtlich von mir erwartet, denn meine Mutter blieb hartnäckig neben mir stehen, bis ich mich notgedrungen mit meinem Schreibtischstuhl zu ihr drehte und sie ansah. Die Hände in die Seiten gestemmt, musterte sie mich finster. »Elina, es reicht«, fing sie an.
    Aus Erfahrung wusste ich: Wenn sie mich mit meinem richtigen Namen ansprach, war Feuer am Dach. Ehe ich aber noch etwas erwidern konnte, fuhr sie energisch fort:
    »Wir haben wirklich lange genug zugesehen, wie du dich immer mehr abkapselst. Ich habe versucht, das zu tolerieren. Ich habe versucht, mit dir zu reden. Gebracht hat es nichts. Aber jetzt ist Ende der Fahnenstange, mein Fräulein. Dein Vater und ich erwarten, dass du dich jetzt mal zusammenreißt und dich wieder in unsere Familie eingliederst!«
    Ich starrte sie an. Sie redete wie aus einem Sozialpädagogik-Ratgeber. Aber hatte sie jemals verstanden, was mit mir los war? Interessierte es sie überhaupt? Oder sollte ich nur funktionieren? In mir stieg eine ziemliche Wut hoch und heftiger, als beabsichtigt, fuhr ich sie an:
    »Was ihr erwartet, ist mir piepegal! Ich bin nicht euer Roboter, der auf Knopfdruck funktioniert! Meine beste Freundin wurde umgebracht und ihr habt nichts Besseres zu tun, als ’nen Psychoklempner zu bestellen – so als wäre ich reif für die Klapsmühle! Und dann erwartest du, dass ich mich zu euch an den Tisch setze, als wäre nichts?«
    Ich hatte den letzten Satz so atemlos hervorgestoßen, dass ich jetzt nach Luft schnappen musste.
    Meine Mutter starrte mich fassungslos an. »So denkst du also von uns, ja?«, brachte sie nur heraus.
    Ich war jetzt in Fahrt und dachte nicht daran, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. »Interessiert dich vielleicht mal, wie’s mir geht? Nein! Du willst nur wieder die Kontrolle über mich haben!«
    »Sag mal, spinnst du?«, ging meine Mutter jetzt hoch und ihr Mund wurde vor Zorn schmal. »Das

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