Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
einen wartete, die Rechenschaft über den langen Aufenthalt in der Wirtschaft verlangte. Ein anderer wichtiger Grund, hoggn zu bleiben, war die Tatsache, dass man bereits zu viel getrunken hatte. Und nur die Tatsache, dass man noch am Tisch saß, es einen nicht spüren ließ. Es gibt ja dieses Phänomen beim Trinken, dass man sitzend und stehend unterschiedlich betrunken ist. Du sitzt und fühlst dich nach drei Bieren pudelwohl. Doch kaum stehst du auf, dreht sich die Welt um dich, und du wünschst dir, dass du besser nicht aufgestanden wärst. Der Bayer als erfahrener Trinker weiß natürlich, wann er dieses Stadium erreicht hat. Und wird einfach zum Hoggableiba. Aus purem Selbstschutz.
Der Biergartenabend mit Thomas wurde lustig. Nachdem unsere Tischnachbarn herausgefunden hatten, dass sie mit zwei, also eigentlich anderthalb Berlinern am Tisch saßen, begannen sie von der Stadt zu schwärmen, die sie von zahlreichen Besuchen kannten. Thomas freute sich, dass er ein bisschen prahlen und die Bayern mit seinen ultimativen Berlin-Tipps versorgen konnte, die ihren nächsten Besuch in der Hauptstadt unvergessen machen würden.
»Siehste, da ham wa den Weißwürschten doch noch wat beibringen können, wa?«, freute sich Thomas. »Haste jehört, wat se über Berlin jesacht haben. Klasse Stadt, hamse jesacht.«
»Klar, hamse dit jesacht«, bestätigte ich Thomas. Wer ein derart großes Ego hat wie die Bayern, der hat es nicht nötig, andere kleinzumachen. Ich erinnerte mich noch genau an eine Diskussion mit Max, Peter und Willy in einer unserer Mittagspausen. Willy hatte noch eine Karte für den Kabarettabend mit Ottfried Fischer im Schlachthof übrig und gefragt, ob jemand von uns mitwolle. Ich hatte nicht nur verneint, sondern auch gleich die Gelegenheit genutzt, zu verkünden, dass ich es unglaublich finden würde, wie ein Mann mit dem beschränkten Talent von Ottfried Fischer im Showbusiness es so weit hatte bringen können.
»Is schon bitter, dass so einer zu euren Besten gehört!«
»Halt, nichts gegen den Monolithen aus Ornatsöd«, hatte mich Willy gebremst. Er kannte den Geburtsort von Ottfried Fischer. Er musste ein Fan sein.
»Wieso? Der Mann steht einfach nur da, rattert seine Sätze runter, ohne ein einziges Mal die Stimme zu heben oder zu senken. Das kann ich auch.«
»Ja dann mach’s doch«, hatte Max gesagt.
»Aber ich kann’s doch nicht!«
»Wieso, schreiben tust doch auch!«, hatte sich Peter in die Unterhaltung mit eingemischt. Alle lachten. Außer mir.
»Sorry, ich kann es einfach nicht verstehen, wie einer, der derart talentfrei ist, mit so was sein Geld verdient und das wahrscheinlich nicht zu knapp.«
»Ja, dafür, dass du jetzt net genug Geld nicht hast, da kann doch der Ottfried nichts dafür«, meinte Willy.
»Bist neidisch?«, wollte Max von mir wissen.
»Nein, bin ich nicht, es geht ums Prinzip«, hatte ich zu kontern versucht. Wohl wissend, dass Max mir bei jeder passenden Gelegenheit seine Prinzipien unter die Nase rieb.
»Ah, geh, von wegen Prinzip. A Neidhammel bist. Ist doch schön, wenn einer, der vom lieben Gott nicht ganz so viel Talent mit auf den Weg bekommen hat, wie der Ottfried, das Beste draus macht. Da kannst dir a Beispiel dran nehmen.« Max war sich nicht einmal zu schade gewesen, mich bei Francesca zu verpetzen, die genau wie er der Meinung war, dass es eine gerechte Strafe für mich sei, Willy in den Schlachthof zu begleiten und ihm für die Schmähung seines Idols an dem Abend auch noch Speis und Trank zu spendieren. Ja, vielleicht hatten die vier vorhin im Biergarten tatsächlich etwas von Thomas gelernt. Aber das war nichts, worauf er hätte stolz sein können.
Am Abend schauten Thomas und ich noch beim Brückenfest vorbei, das anlässlich der 850-Jahr-Feier Münchens stattfand. Liedermacher Konstantin Wecker gab auf der Bühne an der Ludwigsbrücke seine Songs zum Besten. Neben seinen Klassikern hatte Wecker auch noch extra ein Ständchen für das Geburtstagskind vorbereitet.
»Aber mi macht des München schon lang nicht mehr froh, drum sing ich heut einen Verriss. Weil scheint’s nur wer mit Plastikgeld rumschmeißen ko, oan waschechtes Münchner Kind ist. Marketing-Moloch, spießig und gschleckt, Polizeihauptstadt, voll überwacht. Für die Jungen stelln’s drei, vier Kommerztempel hin, aber wehe, wennsd da oaner laut lacht. Hey, München ist cool und wird kühler. Und built sich drauf au gut was ei, die Innenstadt täglich steriler, für die Stadt
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