Schleich di!: ...oder Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
Kirschsaft eine wichtige Rolle spielen
»Hast am Montagabend schon was vor?« Erwartungsvoll schaute Max mich an. Ich hatte nichts vor, aber das durfte ich Max auf keinen Fall sagen. Denn wenn Max einem nicht direkt sagte, was er von einem wollte, musste man vorsichtig sein. Sehr vorsichtig. So wie die Igel beim Küssen. Ich hatte es ja bei der Wanderung erlebt. Okay, die Geschichte war gut ausgegangen, aber bei Max wusste man nie, was er als Nächstes im Schilde führte. Hatte er zum Beispiel nicht neulich erst erzählt, dass bei ihm im Viertel eine Schule für Lachyoga aufgemacht hatte? Auf keinen Fall durfte ich seine Frage mit Nein beantworten. Ich wäre sofort für das, was auch immer an jenem Montag stattfand, verpflichtet. Mit Ja antworten ging auch nicht, da Max sofort nachfragen würde, was ich denn für diesen Montag genau plane. Da ich nichts vorhatte, müsste ich lügen. Was mir sehr schwerfällt. Und selbst wenn mir eine gute Ausrede einfiel, würde Max sofort versuchen, einen Plan zu entwickeln, mein nicht existentes Vorhaben auf einen anderen Tag zu verlegen oder einen Ersatz für mich zu besorgen, damit meine Ausrede ohne mich stattfand und er mit mir an jenem Montagabend das machen konnte, was er wollte. Das Beste war daher, mich erst einmal dumm zu stellen. Also fragte ich langsam und gelangweilt:
»Wieso?«
»Da eröffnet a neue Boutique in der Maximilianstraße!« Ja, und? Worauf wollte er bloß wieder hinaus? Ich stellte mich lieber weiterhin dumm.
»Aha!« Doch so leicht ließ Max nicht locker: »Ja, was is jetzt mit deinem Montag?«
»Wieso?«
»Ja, weil da diese Boutique eröffnet und i dahin muss.« Jetzt war die Katze endlich aus dem Sack. Doch was um aller Welt brachte Max dazu, auf eine Boutiqueneröffnung zu gehen? Noch dazu auf der Maximilianstraße? Ich vergaß vollkommen, mich weiterhin durch Dummheit zu schützen.
»Du gehst zu einer Boutiqueneröffnung in die Maximilianstraße?«
»Ja, da schaust, gell? Und du gehst mit!«
»Ich, wieso? Was soll ich denn auf so einer Veranstaltung?«
»Weil i sonst koan hab, mit dem i reden mog.«
»Aber wieso gehst du denn überhaupt dorthin?
»Ja mei, sei froh, dass dei Frau koa Eventmanagerin ist. Anna hat das organisiert. Ein Riesenaufwand. Und sie freut sich, wenn ich dort bin. Also geh i hin. Obwohl mir die ganzen gschleckten Adabeis auf solchen Veranstaltungen gehörig auf den Keks gehen … Danke, dass du mitkommst.«
Das war mal wieder typisch Max. Ich konnte mich nicht erinnern, irgendwann in den letzten Minuten das Wort »ja« gesagt zu haben. Und trotzdem ging ich am kommenden Montag zu einer Shoperöffnung. Doch was, bitte schön, ist eigentlich ein Adabei?
An besagtem Montag trafen Max und ich uns gegen zwanzig Uhr am Marienplatz, von wo aus wir gemeinsam in die Maximilianstraße gehen wollten.
»Was ist das eigentlich für ein Laden, der da öffnet?«, fragte ich ihn, während wir am Dallmayr vorbei Richtung Max-Joseph-Platz schlenderten, wo die Maximilianstraße ihren Anfang nahm.
»Teuer. Was Italienisches. Glaub ich zumindest.«
Max dachte noch ein Weile lang nach, bevor er bekannte: »Ich hab keine Ahnung. Hab ich vergessen.«
Die Maximilianstraße ist wohl neben der Leopoldstraße Münchens bekannteste Straße. Sie gilt als Münchens Luxusboulevard, der das Who’s who der internationalen Designer-Fashion sowie exklusive Juwelier- und Kosmetikgeschäfte versammelt. Hier fand man alles, was gut und teuer oder einfach nur teuer war. Für mich erwies sich auch die Maximilianstraße als Enttäuschung. Immer wenn man in München dachte: »Jetzt aber mal«, erlebte man das genaue Gegenteil. Wenn die Maximilianstraße eine Prachtstraße war, dann verstand sie es, ihr gutes Aussehen geschickt zu verbergen. Sie ist ein enger Schlauch. Der winzige Gehsteig entlang der prächtigen Fassaden lädt kaum zum Flanieren ein. Auf der Straße selbst kommt es tagsüber regelmäßig zu Staus durch Autos, die in zweiter Reihe geparkt sind und so den gesamten Verkehr zum Erliegen bringen. Erst auf dem letzten Stück hinauf zum Maximilaneum öffnet sich die Straße und besitzt jene Größe, die man von einem Boulevard gemeinhin erwartet. Doch an dieser Stelle flankieren nur noch Regierungsgebäude, Theater, ein Gymnasium und das Völkerkundemuseum die Maximilianstraße. Seine Shoppinggier muss man vorher gestillt haben.
Bereits vom Max-Joseph-Platz aus sahen wir das Zucken der Blitzlichter. Da mussten wir hin. Max hatte recht gehabt.
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